Alle Jahre wieder kommt Assassins Creed
auf die Spielwelt nieder, weil's der Spieler liebt…
Letztes Jahr liebten allerdings längst nicht so viele wie sonst das alljährliche Action-Parcour-Meuchelei-Spektakel, zu fehlerbehaftet war es, vor allem auf PCs. Und dieses Jahr? Der neueste Ableger der Serie rund um den Kampf zwischen Assassinen und Templern führt uns in die viktorianische Metropole London. Die Industrialisierung lenkt die Geschicke der Welt, wer die Wirtschaft kontrolliert, kontrolliert die Macht – und in London ist das Starrick. In den Raffinerien arbeiten Kinder, auf den Straßen patrouillieren Gangs und auf der Themse floriert der Schmuggel von Drogen. Inmitten des Chaos wollen zwei junge Assassinen nicht länger zusehen und beschließen das Problem selbst in die Hand zu nehmen.
Who is who in London?
Diese zwei Assassinen sind Jacob und Evie Frye. Das Zwillingspaar entstammt einer langen Assassinenlinie. Ihr Vater und ihre Mutter sind im Kampf um London gefallen, nun wollen die beiden ihr Erbe antreten und das zu Ende bringen, was ihre Eltern begonnen haben. Dabei wollen sie sich von nichts aufhalten lassen, im Zweifel auch nicht vom Rat der Assassinen. Konsequenterweise warten die beiden also auch nicht lange auf einen Befehl, sondern beschließen nach zwei actiongeladenen Tutorial-Missionen kurzerhand selbst den Sturm auf die Hauptstadt.
Dort treffen sie auf Henry Green, einen indischstämmigen Assassinen, der London kennt wie seinen Westentasche. Schnell entschließt er sich dazu, so etwas wie den Doktorvater für die beiden zu spielen. Die wichtigsten Hardfacts sind schnell erklärt: Die Kacke dampft! Eine brutale Gang, die Blighters, haben die Kontrolle über Londons Infrastruktur übernommen, sie selbst wiederum stehen unter der Kontrolle von Starrick. Die Templer sind also überall, an Arbeit mangelt es definitiv nicht. Gute Sache, dass auch Jacob und Evie nicht auf sich allein gestellt sind. Nach Henry kommen schnell auch Clara, die Anführerin der Londoner Kinderdiebe und selbst nicht älter als 12, und Agnes, die mit einem eigenen Zug durch London fährt, mit an Bord. Besagter Zug dient in Syndicate fortan als unser Versteck. Dort können wir weitestgehend das machen, was wir schon aus den Vorgängern kennen, aber hey, ein beweglicher Schnellreisepunkt und damit die erste Neuerung.
Neben dem engsten Team und einigen historischen Persönlichkeiten wie Karl Marx oder Alexander Graham Bell gibt es aber auch noch die breite Masse unserer Verbündeten: die Rooks. Das ist eine Gang, die Jacob und Evie in die Welt gerufen haben, um dem Terror der Blighters an allen Ecken und Enden zuzusetzen. In diversen Eroberungsmissionen gewinnen wir die Stadt Stück für Stück zurück, indem wir etwa wichtige Blighter-Anführer beseitigen, Kinderfabriken befreien oder Gangquartiere zersprengen.
Neues Spielzeug
Um die Templer noch effektiver zur Strecke zu bringen, haben uns die Programmierer ein neues Spielzeug geschenkt: den Enterhaken. Der eignet sich nicht nur hervorragend dazu tiefe Häuserschluchten zu überwinden, sondern dient auch als tragbare Luftattentat-Vorrichtung. Mit diesem nützlichen Gerät ersparen wir uns jetzt das ewig wiederkehrende auf-der-einen-Seite-hoch-auf-der-anderen-runter, wenn wir von A nach B hasten. Einfach die Strippe rüberschießen – fertig!
Ansonsten hat sich das Gameplay im Grunde gar nicht verändert. Kleine Neuigkeiten sehen wir aber doch, zum Beispiel hat es das „Schiffhopping“ über die völlig überfüllte Themse in dieser Form noch nicht gegeben. Auch wilde Kutschenfahrten sind neu und machen durchaus Spaß. Darüber hinaus bietet Syndicate die gleichen Beschäftigungstherapien, die wir von allen Assassins Creed-Teilen kennen. Collectibles unterschiedlichster Art sind zuhauf über die große Spielwelt verteilt, Massenevents tauchen immer wieder zwischendurch auf und generische Sidequests wie Frachtungsladungen stehlen oder Schmugglerboote überfallen peppen den Killer-Alltag zusätzlich auf. Dass man sich gleich heimelig fühlt, kann man jetzt gut finden oder auch nicht. Ein wenig neuen Esprit, der über das Hinzufügen von einzelnen Gegenständen hinausgeht, wäre dann bald aber mal schön, finden wir.
Duo Infernale
Erstmals stellt Ubisoft uns nicht nur einen, sondern gleich zwei Assassinen zur Verfügung. Zwischen Jacob und Evie kann man schnell per Tastendruck im Menü wechseln, solange man sich in der Open World aufhält und festen Boden unter den Füßen hat. Für Erfahrung und Ressourcen teilen sich die beiden einen Pool, aufleveln können wir sie aber getrennt. Die Skill-Bäume sind dabei weitestgehend gleich, nur einige hochlevelige Skills sind jeweils nur einem der beiden vorbehalten. Spielen tun sie sich trotzdem genau gleich (und damit auch gleich wie jede andere Assassine, die man je spielen konnte). Auch die Ausrüstung ist weitestgehend identisch, nur dass Evie sich lieber mit einen schicken Umhang ziert, während Jacob einen Gürtel vorzieht. Ausrüstungsgegenstände gibt es abermals in rauen Mengen, man muss sie nur finden bzw. herstellen. Apropos Ausrüstung: Natürlich haben auch die Assassinen in Syndicate ihre ganz eigenen Nahkampfwaffen. Neben einem indischen Kampfmesser, dem Kukri, gibt es auch den echt englischen Gehstock – selbstverständlich mit ausziehbarer Klinge.
Egal ob Evie oder Jacob, sich mit dem neuen Werkzeug durch Londons nebelgefüllte Gassen zu metzeln und zu schwingen macht Spaß, zumal die Kämpfe endlich etwas fordernder geworden sind. Die Gegner verlustieren sich zwar immer noch geduldig, bis sie an der Reihe sind, dann haben sie aber durchaus etwas auf dem Kasten. Wir bilden uns jedenfalls stark ein, dass nicht nur die Werte der Feinde aufgebessert, sondern auch das Zeitfenster für Konter verkürzt worden ist.
Gestochen scharf?
Nach dem Unity-Fiasko waren wir besonders gespannt auf die technische Performance von Syndicate. Wie sich herausgestellt hat, lernten die Jungs von Ubisoft Montreal ein wenig aus ihren Fehlern – aber leider nur ein wenig. Auch das neue Assassins Creed geizt nicht mit Bugs. In einer der ersten Zwischensequenzen beispielsweise sprach ein NPC statt mit unseren Hauptcharakteren leider nur mit deren Waffen, die besitzerlos in der Luft schwebten (wenigstens blieben uns die Fratzen, die uns seit Unity im Traum verfolgen, erspart). Wir hatten auch des Öfteren das Vergnügen mit Feinden, die wir partout nicht angreifen konnten. Sie uns zwar auch nicht, aber uns entdecken, Alarm schlagen und Verstärkung rufen, das konnten sie noch ganz gut. Noch ein Beispiel? Bei einer der eher stressigen Fluchtpassagen verwehrte uns auf einmal der Stick seine Dienste und lenken war plötzlich nicht mehr möglich.
Die Engine liefert zwar gewohnt gute Bilder ab, nur ist gewohnt irgendwann nicht mehr der Bringer, wenn man nach drei Jahren kaum bis keinen Fortschritt sehen kann. Die Musik ist in sich zwar sehr atmosphärisch und stark komponiert, der nötige Druck fehlt aber stellenweise doch – das Ding hat einfach keine Eier. Der einzige wirkliche Lichtblick sind die Sprecher von Jacob und Evie, die mit ihrer tollen Arbeit auch ihre Kollegen, die ihren Job allesamt auch nicht übel machen, weit in den Schatten stellen. Trotzdem, insgesamt kann die Technik eher mäßig überzeugen – es ist nicht katastrophal, aber so richtig toll ist es auch nicht.