Am Simulatoren-Markt haben wir schon viel gesehen. Der Traktor Werkstatt Simulator hat es doch geschafft, uns zu überraschen. Gibt es denn dafür ein Publikum?
Während die Bauernkinder mit den echten landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen aufwachsen, können die Städter nur davon träumen. Denn auch sie sind angetan von den großen, mächtigen Maschinen, die Kraft ohne Ende versprühen. Wenn sie denn funktionieren. Zudem liegt das Basteln und Schrauben an großen Geräten den Männern (und Mädels) der Stadt in ihren blutigen Genen. Doch feine Pinkel, wie sie sind, wollen sie sich dabei nicht die Hände schmutzig machen. Und da sind wir schon bei der Antwort auf obige Frage: Es gibt ein Publikum für das Spiel! Und zwar ein ganz schön großes!
Wer sich einmal am ersten Traktor eingearbeitet hat, den wird das Spiel so schnell nicht mehr loslassen. Denn zügig kippt man dank des hohen Realitätsgrades der Umsetzung und der durchaus ansehnlichen Grafik in den virtuellen Job und freut sich über jeden neuen Auftrag, der eine Herausforderung im finden und beheben des Defekts bedeutet.
Hoher Realitätsgrad
Es empfiehlt sich, sich zuallererst in der ersten eigenen Werkstatt umzusehen. Diese ist eher ein Schuppen als eine Werkstatt. Doch findet man alles, was man für qualifizierte Reparaturen braucht. Eine Werkbank, einen Platz um Bestellungen abzusenden und im Ersatzteilkatalog zu blättern, eine Öl-Auffangwanne, Ölpumpe, Reifen-Wuchtgerät, ein Materiallager und natürlich eine Hebebühne. Sogar ein Radio steht im Regal. Bereits an diesem schönen alten Gerät mit Transistorspulen (es übersiedelt übrigens beim Aufleveln mit in die nächste Werkstatt) ist der hohe Realitätsgrad des Spiels zu merken. Ist das Radio für längere Zeit ausgeschaltet sind die Kondensatoren entladen. Es knackst beim Einschalten und dauert daher ein wenig, bis tatsächlich Musik ertönt. Die Musik beschränkt sich übrigens auf drei Lieder, die aber abwechslungsreich genug gehalten sind, um nicht von der ersten Sekunde an zu nerven.
Auch vor der Werkstatt, auf der Teststrecke für die landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge, ist die (etwas eckige) Realität mit einem Lächeln zu bemerken. Ist es nicht gerade Nacht (was leider viel zu häufig der Fall ist), stehen Kühe umher, die sich freudig bewegen: ziemlich realistisch stehen sie auf und legen sich wieder auf ihre dicken Euter. In der Außenansicht bemerkt man die schleißig geputzten Scheiben des Traktors mit den schmierigen Schlieren des Schwammes. Während der Fahrt spiegelt sich zudem an der metallenen Decke des Fahrzeugs die Gegend, was den realistischen Eindruck stark erhöht. Schade nur, dass man hier nicht die aktuelle Landschaft spiegeln lässt, sondern irgendeine. Die Reflexionen am Himmel des Gefährts stellen eine vollständig andere Gegend dar als jene, in der man sich befindet. Aber das fällt kaum auf.
Nun aber ein Blick aufs Wesentliche. Denn nicht nur das „Drumherum“ macht die Simulation zu dem Spaß, der sie ist, vor allem die Fahrzeuge sind es ja, die im Fokus stehen sollten. Und auch hier ist die Umsetzung sehr gelungen. Denn alle Defekte am Gerät haben tatsächlichen Einfluss auf die Fahreigenschaften, was auf der Teststrecke feststellbar ist. Beispielsweise lässt eine verstellte Spur das Fahrzeug in eine Richtung ziehen. Ein verstopfter Luftfilter wirkt sich aus, indem der Traktor die Teststrecken nur mehr mit 12 anstelle von rund 30 Kilometern pro Stunde absolviert.
Das ist auch gut so. Denn so fällt es bei einer Testfahrt auf, wenn man den Kunden zu betrügen versucht. Und dazu ist man schnell verführt. Denn die Reparatur der defekten Teile kostet viel Geld. Da ist man schon mal dazu geneigt auch einwandfrei Teile auszubauen und durch lagernde schadhafte zu ersetzen. Sofern die getauschten Teile nicht zu stark abgenutzt sind, wirkt sich das zwar negativ auf die Probefahrt aus, aber der Kunde toleriert dieses Manko scheinbar und nimmt seinen nun defekteren Traktor ohne Beanstandung an. Tauscht man Teile nach der Probefahrt, kann man sogar vollständig defekte Elemente ohne Reklamation durch den Kunden verbauen. So wird mir langsam verständlich, weshalb mein Auto, wenn ich es im realen Leben in die Werkstatt stelle, nach dem Service oft schlechter funktioniert als zuvor. Schnell lernt man in dieser Simulation also auch die „dunkele Seite der Werkstatt“ kennen und die Tricks, um Kunden zu betrügen und befreundeten Kunden zu helfen.
Dieses unlautere Handeln wollen wir natürlich niemandem unterstellen. Vielmehr juckt es mich in den Fingern bei den Kunden Rückfragen zu stellen. Es ist in der Tat während unseres Tests einmal passiert, dass ich zu meinem Telefon gegriffen habe, um den Kunden anzurufen, was genau er denn nun beanstandet. Erst als ich am Reparaturauftrag keine Telefonnummer gefunden habe, habe ich bemerkt, dass es sich nur eine Simulation handelt.
Das Kundengespräch sucht man vor allem dann, wenn eine Fehlfunktion vom Spiel immer noch gemeldet wird, obwohl man sicher ist, alles bereits repariert zu haben. Oder wenn man einen Defekt entdeckt, der gar nicht gemeldet wurde. Hier ist man durchaus versucht nachzufragen, ob dieser Defekt auch behoben werden soll. Der Spieler landet in einem Gewissenskonflikt: Will ich eine zuverlässige Werkstatt mit gutem Ruf sein oder eine, die ohne mitzudenken stupide Aufträge erfüllt, ohne auf den Kunden persönlich einzugehen? Schließlich zahlt er ja nicht mehr, nur weil ich ihm sein Fahrzeug auch an anderen Stellen als den beanstandeten repariert habe. Die zweite Entscheidung wäre also die wirtschaftlich sinnvollere.
Die Steuerung
Die Steuerung ist in der Theorie eine sehr einfache, da sie sich auf die Maus und WASD beschränkt. Zudem gibt es ein paar wenige Tasten, um zwischen dem Zerlege-, Zusammenbau- und Analyse-Modus zu wechseln, beziehungsweise in den Spind oder das Auftragsbuch zu schauen.
Mit den üblichen WASD-Tasten bewegt man sich in der Werkstatt. Mit einem Klick auf den Teilbereich des Fahrzeugs, den man bearbeiten möchte, begibt man sich in diesen Bereich. Sei es eines der vier Räder und die Lenkung, der Motorblock, die Fahrerkabine oder sonstige Teile am oder im Fahrzeug. Ist man diesem Bereich hat man die Möglichkeit mit einem Klick auf das jeweilige Element dieses auszubauen – was manchmal auch die Verwendung eines Schraubenschlüssels voraussetzt, den man automatisch zur Hand bekommt – es wieder einzubauen oder einfach nur zu analysieren, um festzustellen, ob das Ding überhaupt einen Defekt hat beziehungsweise wie stark es abgenutzt ist.
Aufmerksame Leser haben vermutlich bemerkt, dass es dann doch nicht so einfach ist. Denn dem Spiel wurde eine „Zentrierungs-Funktion“ implementiert, die außer den Spieler zu nerven keinerlei Bedeutung hat. Um ein Teil zu bearbeiten muss man es zwei Mal anklicken. Beim ersten Mal wird es markiert und auf die Bildschirmmitte zentriert. Beim zweiten Mal wird das Element dann tatsächlich aus- oder eingebaut beziehungsweise analysiert. Durch das Zentrieren „rutscht“ das Element jedoch unter der Maus weg und muss neu gesucht und wieder getroffen werden. Vor allem bei Kleinteilen klickt man dann gerne daneben und es wird ein langer Klick-such-klick-such-klick-such-klick-Prozess ehe das verdammte Ding endlich tatsächlich ausgebaut ist.
Tücken und Mängel
Nicht nur die in die Werkstatt gebrachten Fahrzeuge haben Mängel, auch das Spiel selbst weist derer einige auf. Manche sind klein, manche ärgerlich, manche tödlich. Wollen wir sie uns auch in dieser Reihenfolge besehen:
So ist es schade (als kleinste Form des Mangels), dass es sich bei den zur Reparatur abgegebenen Fahrzeugen ausschließlich um Fantasie-Gefährte handelt. Als Kenner landwirtschaftlicher Nutzfahrzeuge würde man natürlich lieber an einem Claas Xerion, einem John Deere 5080, einem Steyr CVT oder einem New Holland CX8070 herumschrauben. Aber man ist ja genügsam und wenn sich die Bauern der Gegend nur Billigfahrzeuge aus China kaufen, repariert man eben diese.
Es ist ebenso schade und ein wenig ärgerlich, dass die auf der Verpackung versprochenen „Weiterbildungsmöglichkeiten um die Werkstatt zu optimieren“ nicht vorhanden sind. Zumindest nicht merklich. Mit fortgeschrittenem Spielstand übersiedelt man zwar automatisch in eine größere Werkstatt, Geräte zu optimieren oder den manuellen Sechskantschlüssel gegen einen deutlich schnelleren Luftdruckschrauber zu ersetzen, diese Möglichkeiten fehlen. Vermutlich könnte man sich diese finanziell jedoch ohnedies nicht leisten. Denn ein Auftrag bringt verhältnismäßig wenig Geld. Es bleiben ein paar wenige Euro über, selbst wenn man keine neuen Ersatzteile erwirbt, sondern lediglich bestehende Teile repariert.
Nicht weiter tragisch, aber etwas verwunderlich ist die Tatsache, dass fast alle Probefahrten in der Nacht stattfinden. Rund 90% der Testläufe über die wundervolle Strecke um den Hof absolviert der digitale Mechaniker im Dunkeln. Meines Erachtens braucht dieses Spiel keine Tag/Nacht-Engine. Aber wenn sie schon mal da ist, dann wäre es schön, auch ab und zu bei Tageslicht am Bock zu sitzen.
Etwas leidig ist die Tatsache, dass es keine Anleitung gibt. Zumindest eine Zusammenfassung der Tastenkürzel wäre hilfreich. So dass man nicht alle Tasten durchprobieren muss um zu sehen, ob sie einen Effekt haben. Viele haben einen. Eine sogar einen, der den Spieler zum Rasen bringt – siehe dazu den letzten Punkt.
Zwar schraubt der Werkstatt-Kenner (oder fröhliche Bastler) ohnehin einfach mal drauf los, doch sieht das Spiel vor, dass man auch etwas lernen können sollte. Im linken oberen Eck befindet sich eine Anzeige über das aktuell bearbeitete Bauteil und dessen „Gesundheitszustand“. In der Theorie. Denn in der ersten Werkstatt wird immer nur der Reifen mit 80% Einsatzfähigkeit angezeigt und als „NAME“ bezeichnet. In der zweiten Werkstatt werden zumindest die Bauteile grafisch korrekt dargestellt, jedoch haben sie weiterhin allesamt eine Qualität von 89% und nennen sich anstelle von „Luftfilter“, „ Kraftstoffpumpe“ oder „Getriebe“ weiterhin nur „NAME“. Das ist insbesondere dann sehr störend, wenn der Kunde einen Fehler in einem bestimmten Bauteil meldet und man schlicht keine Ahnung hat, um welches Bauteil es sich dabei handelt. Hier gilt es dann jedes einzelne Trumm auf seinen Zustand zu prüfen und zu hoffen, dass man irgendwann den richtigen Teil erwischt, der statt grün orange, gelb oder rot, also defekt, angezeigt wird. Das bedeutet aber natürlich noch lange nicht, dass das der einzig defekte Bauteil war. So kann es schon mal passieren, dass man ein Fahrzeug vollständig zerlegt, den vermuteten Teil tauscht, das Fahrzeug wieder zusammenbaut, um dann zu merken: Das war wohl nicht der beanstandete Fehler. Und schon findet man sich wieder schraubenderweise unter dem Fahrzeug.
Es wäre zudem schön, wenn man auf den Fehler nicht dadurch aufmerksam wird, indem die Probefahrt verweigert (Meldung: „Führe zuerst den Auftrag durch“), sondern bei der Probefahrt bemerkt wird, dass irgendetwas noch nicht passt. Der Spieler möchte die Freiheit haben, den Fehler selbst zu bemerken, ohne vom Spiel eingeschränkt zu werden oder Abläufe vorgegeben zu bekommen.
Wir nähern uns der Spitze der Bug–Nervigkeits-Wertung. Leider steht hier, ganz weit oben, etwas, das man bei jedem zweiten Klick benötigt: Nämlich das Markieren eines Bauteils. Ein Klick auf den auszuwählenden Teil markiert diesen leider nicht, wie zu erwarten wäre, sondern zentriert ihn auf die Bildschirmmitte. Das heißt, um ein Teil zu wählen, das man auszubauen begehrt, fährt man mit der Maus darauf, klickt es an, der Bildschirm ändert die Darstellung (zum Teil extrem), man orientiert sich nochmals, sucht das eben angeklickte Teil wieder, richtet die Maus neu aus, klickt nochmals drauf – nun kann man diesen Teil prüfen oder ausbauen. Diese Zentrier-Funktion ist extrem nervig, verzögert das Spiel und erhöht den Frustrationsfaktor ohne einen erkennbaren Mehrwert. Es ist somit auch der Hauptgrund, warum das Spiel in unserem Test bei der Steuerung so wenige Punkte einfährt. Denn dieses unnötigen Sprünge kosten viel Zeit und bei kleinen Teilen vor allem Nerven.
Und nun sind wir am Gipfel der Manko-Pyramide, bei dem „tödlichen Fehler“, den dieses Spiel beinhaltet. Und dieser versteckt sich hinter einer einzigen Taste: Drückt man – egal wann – "Minus" am Nummernblock, wird das Spiel ohne Rückfrage beendet und der Spielstand auf Null zurückgesetzt. So etwas darf einfach nicht passieren! Einmal an dieser exponiert liegenden Taste ankommen und in die Werkstatt rollt erneut der Übungstraktor aus Level 1. Autsch!