Mit The Last of Us liefert Naughty Dog nicht weniger als einen der, wenn nicht sogar den wohl meisterwarteten Titel des heurigen Playstationjahres ab. Ob man von so hohen Erwartungen nur enttäuscht werden kann, oder das Spiel seinen Vorschusslorbeeren gerecht wird – wir verraten es in unserem ausführlichen Test.
Alle meine Töchter
Wie alles begann
(enthält minimale Spoiler zur ersten Spielstunde)
Das Jahr 2013. Ein infektiöser Cordyceps-Pilz verbreitet sich in Amerika, der befallene Menschen zu willenlosen, angriffslustigen Monstern macht. Quarantänezonen werden eingerichtet; Menschen, die versuchen einzudringen werden gnadenlos niedergestreckt. Dem Protagonisten Joel ergeht es da nicht anders. Zusammen mit seinem Bruder Tommy und seiner Tochter Sarah versucht er, sich einen Weg durch das Chaos aus schreienden, flüchtenden Menschen und kollidierenden Autos zu bahnen. Nachdem ihr Auto ebenfalls in einen Unfall verwickelt wird und Joel es gerade noch schafft, seine Tochter an den Rand der Quarantänezone zu schleppen, wird ihnen der Weg von einem bewaffneten Soldaten verstellt. Dieser hinterfragt zwar noch den ihm über Funk zugetragenen Befehl, da Joel inbrünstig beteuert nicht infiziert zu sein, eröffnet aber Sekunden später das Feuer auf die beiden…
20 Jahre später. Joel und seine Schmuggel-Partnerin Tess begeben sich auf die Suche nach einem Handlanger, der den beiden noch Waffen schuldet. Da dieser bei den Fireflies, einer radikalen Untergrundgruppe, verschuldet war, sind diese nun im Besitz der Waffen. Die verwundete Anführerin der Gruppe unterbreitet Joel und Tess das Angebot, mehr als die geforderten Waffen wieder an die beiden abzutreten, wenn sie ihr dabei helfen Ware aus Boston herauszuschmuggeln. Die beiden willigen ein und staunen nicht schlecht, als ihnen das Schmuggelgut präsentiert wird: die 14-jährige Ellie…
In weiteren Rollen
Darum geht es
In The Last of Us geht es nicht um Zombies. Es geht nicht um die Apokalypse. Es geht nicht um die verfallenen Städte, die langsam wieder von der Natur zurückerobert werden. Es geht nicht darum, sich zu gruseln, zu erschrecken, zu fürchten. Es geht um die Beziehung der beiden Protagonisten. Joel, der verbitterte, erkaltete Antiheld trifft auf das aufgeweckte, taffe Teenagermädchen Ellie, das eine Welt vor der Epidemie nicht kennt und sich Zeit seines Lebens nur in Quarantänezonen aufgehalten hat. Beide sind allein, haben fast alles verloren, der gemeinsame Auftrag ist es, der die zwei auf der Mission quer durch das Land zusammenschweißt. Und Joel kann es nicht verhindern, langsam Vatergefühle für die Kleine zu entwickeln.
Das Spiel orientiert sich also stark am Stil von The Walking Dead, in dem auch eher die Figurenentwicklung in dieser extremen Umgebung im Vordergrund steht, als die Bedrohung selbst. Und das ist genau das, was The Last of Us ausmacht. Und das ist gut so. Horrorschocker wie Resident Evil oder Dead Space haben wir auf Konsolen bereits ausreichend.
Diese Flaschen
Die Gegner
Auch wenn die Zombies nicht die Hauptrolle spielen, sie sind unweigerlich vorhanden. Die verschiedenen Stadien der Infektion wirken sich auch auf das Verhalten der Gegner aus. So attackieren frisch Infizierte alles, was ihnen vor die Augen kommt, sind aber noch halbwegs leicht zu erledigen. Die Clicker, denen der Pilz bereits aus dem Kopf wächst und die an Ermangelung eines Sehorgans per Echoortung navigieren, können im extrem langsamen Schleichschritt umgangen werden. Haben sie einen jedoch entdeckt, kann man sie sich nur noch mit roher Waffengewalt vom Hals halten. Noch härtere Geschütze müssen gegen die Bloater aufgefahren werden, Langzeitinfizierte, bei denen der Pilz schon einen schützenden Panzer gebildet hat und die sich mit Sporengeschoßen heftig zur Wehr setzen. Wer diesem Gegnertyp zu nahe kommt, wird einen sehr schmerzlichen aber schnellen Tod erleiden.
Dass Zombies keine KI spendiert bekommen, die die eines Weißbrotes nennenswert übertrifft, ist logisch. Jedoch stellen sich auch die menschlichen Gegner nicht immer sonderlich schlau an und werden Opfer der Kombination aus ihrer Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs und den niederen Apportier-Instinkten eines Hundes. Werden wir von einem Gegner entdeckt, der sich in der Folge auch in unsere Richtung begibt, zeigt der sich trotz Kenntnis unseres Standortes wahnsinnig von einer Flasche beeindruckt, die wir durch einen mehr oder weniger gezielten Wurf hinter ihm zum Zerschellen bringen und wendet uns unvorsichtigerweise der Rücken zu, wenn er sich auf den Weg macht, diese zu untersuchen. Auch aufgefundene gefallene Kameraden locken sie nur selten aus der Reserve und Deckung suchen sie genau so geschickt wie Ziele in einer Schießbude: Entweder wie eine Dose beim Dosenwerfen (nämlich gar nicht) oder wie ein Klappziel (tauchen immer an derselben Stelle wieder auf). Kooperatives flankieren, ebenfalls Fehlanzeige.
Was jedoch nicht bedeutet, dass die menschlichen Gegner nicht gefährlich sind. Da wir kein Supersoldat sind, bedeuten wenige Treffer einer aufgescheuchten Gegnerschar, die uns aus mehr als einer Richtung beharkt, den schnellen Tod. Es empfiehlt sich also, die Gegner so weit wie möglich leise hintereinander auszuschalten, wenn man der offenen Konfrontation aus dem Weg gehen möchte und eventuell eher zu flüchten als zurückuschießen. Deren Tunnelblick ist dabei ungemein nützlich.
Schade ist auch, dass unsere NPC-Mitstreiter für die Gegner unsichtbar sein dürften. Schleichen wir uns beispielsweise an einem Clicker vorbei, kann unser Begleiter noch so sehr unbeholfen aufstampfen, der Pilzkopf wird nicht darauf reagieren. Auch wenn sich unser Anhang zu spät hinter eine Deckung begibt, wird der Gegner davon absehen, uns dadurch als entdeckt anzuerkennen. Natürlich beugt das Frust vor, da uns die computergesteuerten Kameraden so nicht auffliegen lassen können, für die Stimmung wäre es allerdings wünschenswert, wenn sie sich in Schleichpassagen nicht unbedingt wie Elefanten benehmen würden. Wir müssen uns ja schließlich auch zusammenreißen. Oft kommt das zum Glück nicht vor und darf gerne als "Jammern auf hohem Niveau" verstanden werden.
Ansonsten stechen die Begleiter sehr positiv hervor. Sie folgen mit einem gewissen Abstand und haben ihre eigenen Routen, sind einem so fast nie im Weg und müssen im Kampf auch nur selten beschützt werden. Meistens sind wir es nämlich, die praktische Schützenhilfe erhalten. Vor allem Ellie, die unsere Gegner auch unbewaffnet mit Flaschen und Ziegelsteinen bewirft und von hinten mit dem Messer malträtiert, wenn sie sich auf uns werfen, ist mehr als nur ein würdiger Kampfkamerad.
Basteln mit Joel
Die Spielmechanik
Unser Inventar verstauen wir in und an unserem Rucksack. Darin können wir neben den obligatorischen Waffen auch allerhand Zeug transportieren, das wir überall in der Umgebung finden. Aus diesem können wir uns dann nützliche Gegenstände basteln. So verwenden wir Alkohol und Lumpen, um damit unsere Wunden zu versorgen. Das ist auch dringend nötig, die Selbstheilung neuerer Shootergenerationen gibt es nämlich nicht. Da wir aus denselben Ingredienzien Molotow-Cocktails produzieren können, müssen wir uns entscheiden, ob wir unsere Güter zur Verteidigung oder zum Angriff einsetzen. Aus Klingen und Tape sind außerdem schnell ein paar praktische aber recht unökologische Einwegmesser gebastelt, die wir auch auf unserer Nahkampfwaffe fixieren können. Diese halten je nach Typ nur einige Schläge aus, bevor sie zerbrechen. Metallstangen sind hier logischerweise effektiver als Holzscheite.
Des Weiteren können wir explosive Stoffe mit Klingen prima zu bei Gegnerkontakt auslösenden Splitterbomben umbauen oder selbige in der Kombination mit Zucker zu Rauchbomben umfunktionieren. Unser Inventar ist zwar beschränkt, wer aber brav die Umgebung absucht und sich nicht immer in den offenen Kampf stürzt, wird selten Armut leiden. Auch Munition ist zwar rar, geht aber wirklich nur äußerst selten zur Neige. Dafür hat man nach einiger Zeit schlicht eine zu große Waffenauswahl, so dass immer noch die eine oder andere Patrone in einem der mitgeschleppten Schießprügel steckt.
In der Spielwelt können wir außerdem Konserven finden, die uns einen sofortigen Gesundheitsschub verschaffen. Weitere Objekte wie Briefe und Karten können genauso gesammelt werden wie Comics für Ellie, Abzeichen von Firefly-Mitgliedern, Teile, mit denen wir unsere Waffen an Werkbänken verbessern können sowie Pillen, mit denen wir unsere persönlichen Werte wie Gesundheit oder Zielsicherheit verbessern können. Außerdem finden wir Anleitungen, um unsere selbstgebastelten Waffen zu verbessern, sodass die Messer durch besseren Schliff länger halten und die Zerstörungskraft der Bomben erweitern.
Um Feuergefechte zu vermeiden und nicht dem nächsten Gegner direkt in die Arme zu laufen, verfügt Joel über die Möglichkeit des Lauschens, mit der er sich bewegende Gegner in einem bestimmtem (später durch Pillen erweiterbaren) Radius auch durch Wände hindurch aufspüren kann.
Im Laufe des Spiels ist es manchmal auch erforderlich, Leitern oder Bretter zu platzieren, um Mauern oder Abgründe zu überwinden, oder Paletten zu einem Floß umzufunktionieren, da Ellie nicht schwimmen kann. Wirklich anspruchsvoll sind diese Einlagen nicht, sorgen aber für Abwechslung.
Auge um Auge
Die Technik
Grafisch reizt das Spiel, wie von Naughty Dog gewöhnt, nochmal die ganze Power der PS3 aus. Bis auf fehlendes Antialiasing, die daraus resultierenden unschönen Treppen an den Rändern von Objekten und Charakteren und die nicht immer zu hundert Prozent scharfen Texturen ist The Last of Us ein wirklich hübsches Spiel geworden. Besonders überzeugend sind hier die Charaktere.
Noughty Dog schafft es, die gesamte Gefühlswelt der Figuren über die Gesichtszüge zu transportieren, ohne dass diese künstlich oder gar grimassenhaft wirken. Im Gegenteil, die Mimik wirkt gerade dadurch so echt, dass Gefühle wie Ärger, Überraschung oder Freude nur durch nuancierte, aber sehr gut erkennbare Regungen vermittelt werden, statt das ganze Gesicht zu verzerren und die Stimmung der Protagonisten mit dem Vorschlaghammer comicartig in die Antlitze zu meißeln, wie es beispielsweise bei den Sims der Fall ist.
Der Soundtrack, der sich angenehm im Hintergrund hält und eher dezent die Stimmung der Figuren unterstreicht, statt mit Bombast Hollywoodstimmung erzeugen zu wollen, fügt sich perfekt in das Gesamtbild ein und gibt sich nie dafür her, billig Schockeffekte oder Gefühlsausbrüche anderer Art herbeizuführen, die die Story nicht von alleine zu erschaffen vermag.
Die Sprecher sind sehr passend und liefern eine mehr als solide Leistung ab. Nur die Stimme eines schwarzen Jungen, der uns eine Zeit lang begleitet und sogar ein wenig jünger ist als Ellie, klingt doch um einiges zu erwachsen, was ab und zu störend wirken kann.