Wenn Controller aus den Fenstern fliegen, Fernseher in Massen zerstört werden und das Gezeter frustrierter Spieler durch die Stadt zieht, dann weiß man, dass die Jungs von From Software wieder eines ihrer diabolischen Spiele unter das Volk gebracht haben. Bloodborne heißt der nächste Clou der Schöpfer von Demon und Dark Souls. Die Devs haben allerdings Neues versprochen. Wir schauen, ob sie das Versprechen halten.
Das Yharnam-Enigma
Das Spiel startet mit einem kleinen Video-Intro. Darin erklärt uns ein alter blinder Mann im Rollstuhl... gar nix. Nur, dass wir hier (wo auch immer „hier“ ist) richtig sind, weil man in dieser Gegend tatsächlich so etwas wie ein Heilmittel für unser Leiden (was auch immer dieses „Leiden“ ist) finden kann. Dafür sollen wir einfach das Rätsel um die Stadt Yharnham lösen (was auch immer das für ein „Rätsel“ ist). Nachdem wir uns durch die sehr ausführliche Charaktererschaffung gewerkelt haben, verabreicht uns der werte Herr abschließend unter irrem Kichern eine Bluttransfusion mit echtem Yharnam-Blut („Damit wird das schon!“). Nach einer weiteren, alptraumartigen Sequenz erwachen wir dann eben dort: im mystischen Yharnham.
Dabei handelt es sich um eine düstere Stadt, charakterisiert durch gotisch anmutende Türme, hohe, bullige Gebäude und ausladende Straßen und Plätze. Und durch seine recht eigenen Bewohner. Eigen deshalb, weil sie sich ohne viel Federlesen auf uns stürzen, sobald sie uns bemerken. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen nicht um hirnlose Bestien. Zwar gibt es natürlich auch die zur Genüge, aber die breite Masse unserer Gegenspieler ist durchaus humanoid – wenn auch in Körperbau und Haltung ein wenig entartet. Dafür sind sie umso gesprächiger, folglich dauert es nicht lange, bis man ihre Sicht der Dinge zumindest einigermaßen verstanden hat: WIR sind das Monster. WIR sind das Böse. WIR sind schuld. Auch die wenigen Gespräche, die wir vor versperrten Türen und geschlossenen Fenstern mit jenen, die sich dahinter verstecken und uns ausnahmsweise nicht an die Gurgel wollen, führen, machen deutlich, dass WIR es sind, die hier nicht erwünscht sind. Nur sehen WIR das eben anders und somit ist die Option auf ein friedliches Vorgehen schon mal ausgeschlossen. Wäre ja auch langweilig.
Also kämpfen wir uns Gegner für Gegner durch die Nacht der Jagd (was auch immer das für eine „Jagd“ ist...), erlegen übertrieben große Bosse („Beute“), bringen uns fortwährend in akute Lebensgefahr und das alles ohne überhaupt zu wissen warum. Nach und nach erhalten wir zwar neue Infos über das Spielgeschehen, allerdings a) nur sehr spärlich und b) nur sehr kryptisch. Wer möglichst viel von der verwirrenden Story mitbekommen möchte, sollte überall anklopfen, alles beobachten und generell mit weit offenen Augen durch Yharnam und seine Randbezirke laufen, denn einige Entwicklungen lassen sich nur aus den Details ablesen. Außerdem sparen die Entwickler wieder nicht mit allen erdenklichen Geheimnissen, die man leicht verpasst, wenn man nicht genau hinschaut.
Wenn wir mal eine friedliche Minute zum Verschnaufen brauchen, hilft der Traum des Jägers, der gewissermaßen unser HQ darstellt. Dort können wir Dinge kaufen, unseren Charakter aufleveln, Waffen verbessern und so weiter. Außerdem finden wir hier einige Hinweise zur Steuerung. Das ist gar nicht unwesentlich, weil solche Erklärungen oder auch Hinweise darauf, wo wir als nächstes hinmüssen, und Spielerhilfen ganz generell sehr, sehr rar sind.
No pain no gain
Aber nicht nur die Tatsache, dass man als Spieler über weite Strecken ohne jegliche Erklärungen auf sich alleine gestellt ist, macht Bloodborne zu einem Spiel, das selbst dem geübtesten Gamer Respekt lehrt. Wir alle waren gespannt auf ihn, die Souls-Fanboys haben ihm entgegen gefiebert, die Spatzen auf den Dächern besingen ihn bereits jetzt: Klar, es geht um den Schwierigkeitsgrad. Schließlich ist Bloodborne so etwas wie der inoffizielle Nachfolger der Souls-Reihe und als solcher ist der Schwierigkeitsgrad hier nicht zum entspannten Adjustieren an die eigenen Fähigkeiten gedacht (es gibt nicht mal eine Auswahl). Er ist spielbestimmendes Element, Bloodborne definiert sich richtiggehend nach ihm. Was also erwartet den Spieler, wenn er sich in die Dunkelheit Yharnams traut?
From Software hat im Vorhinein angekündigt, dass sie das Gameplay im Vergleich zu den Souls-Spielen schneller und aggressiver gestalten wollen. Das ist definitiv gelungen und gleichzeitig die größte Änderung im Spielgefühl. Statt unseren Charakter und unser Können immer mehr dahingehend zu trimmen ein wandelnder Panzer auf Beinen zu sein, achten wir bei Bloodborne eher darauf möglichst flink um die Gegner zu rollen. Tatsächlich ist die Abwehr-Funktion gänzlich aus der Controllerbelegung geflogen – weicht man einer Attacke nicht rechtzeitig und in die richtige Richtung aus, gibt’s was auf die Glocke. Das alleine macht das Spiel schon deutlich hektischer als die Quasi-Vorgänger, noch verstärkt wird dieser Effekt durch das Regain-System. Jenes erlaubt es uns, einen Teil unseres Lebens wiederzuerlangen – vorausgesetzt, wir fügen dem Schergen, der es uns genommen hat, innerhalb einer gewissen Zeitspanne nach seinem Treffer selbst ein paar Blessuren zu. Keine besonders lange Zeitspanne, was dazu führt, dass wir nach einem Angriff in eine Art panische Rage verfallen, damit wir nicht an eine unserer zwanzig Heilspritzen gehen müssen, die wir uns mit der Dreieck-Taste zwischendurch reinpfeifen können.
Motivation vs. Frustration
Panik, Rage, Hektik und andere schlecht oder wenig kontrollierbare Zustände sind allerdings der beste Weg direkt ins Grab. Wenn wir unsere Gegner nicht genau analysieren und während des Kampfes ruhig und ausgeglichen bleiben, um ihre Schwachstellen mit dem richtigen Timing, der richtigen Bewaffnung und den richtigen Items auszunutzen, segnen wir in Nullkommanichts das Zeitliche – wieder und wieder, auch bei den ganz kleinen Viechern. Da man aber zumindest bei der ersten Begegnung mit einem bestimmten Gegnertyp einfach mal etwas Zeit braucht, ihn zu verstehen, und man auch danach oft genug Fehler macht (man ist eben nur Mensch), sollte man sich an das Sterben schon einmal gewöhnen – wir haben ihn als integralen Bestandteil des Spiels verstanden und nutzen ihn gerne, um kurz runterzukommen. Dafür ist ohnehin Zeit genug, weil der Ladescreen eine gefühlte Ewigkeit über den Fernseher flackert. Derzeit sorgt das massiv für Frustration, mit dem nächsten Patch sollen die Ladezeiten aber deutlich verkürzt werden.
Auch die Bewaffnung hat sich verändert. Zum einen haben wir in der Zweithand jetzt eine durchschlagkräftige Wumme, mit der wir Gegner unterbrechen und betäuben können, die allerdings wenig Schaden macht. In unserer Haupthand schwingen wir eine Nahkampfwaffe wie den Sägespeer oder den Kirchenhammer. Die haben alle den besonderen Kniff, dass wir sie mit einem Druck auf L1 (im Zweifel auch mitten in der Kombo) zu einer Zweihandwaffe transformieren können – deutlich langsamer, aber auch deutlich mächtiger als der kleine Bruder. Und außerdem stylish.
Von den elendig langen Ladezeiten abgesehen schafft es das Spiel erstaunlich gut, uns bei der Stange zu halten. Es kommt nämlich kaum vor, dass wir zweimal an der gleichen Stelle scheitern. Nur bei den Bossgegnern und besonders harten Mobs halten wir uns teilweise etwas länger auf. Sonst sind es immer zwei, drei Schritte weiter, und die machen Lust auf mehr. Schnell stellt sich ein konstantes „Das muss doch zu machen sein“-Gefühl ein. Ein besonderer Antrieb ist das Wiedererlangen aller beim Tod verlorenen Blutechos (das ist die Währung in Bloodborne), wenn wir den Feind, der uns zuvor aus den Latschen geschlagen hat, im nächsten Versuch selbst über den Jordan schicken. Besonders bitter allerdings, wenn wir das dann nicht schaffen, denn wenn wir zweimal hintereinander sterben, ohne unseren toten Avatar vom Vorversuch aufzusammeln, sind die Blutechos dahin. Oh bittersüßes Yharnam...
Wir sitzen alle im selben Boot
Der Multiplayer des Spiels erinnert stark an den von Dark Souls. Klassischerweise kann man sich im PvP gegenseitig die Schnauzbärte stutzen oder Bosse im Coop legen, sobald man das dafür notwendige Item, eine Glocke, bekommen hat. Die direkte Kommunikation ist dabei gewohnt auf einige Gesten reduziert.
Auch das Memoir-System, durch das wir anderen Jägern Nachrichten hinterlassen können, ist wieder mit dabei. Du bist gerade in eine gut getarnte Grube gefallen? Hinter der nächsten Ecke lauert ein gigantischer Boss? Lass es die anderen wissen! Oooooder wähne sie in Sicherheit und erfreue dich an dem Wissen, dass irgendein ahnungsloser Typ deinem Hinweis vertrauen wird und als Resultat höchstwahrscheinlich einen dreckigen, schmerzhaften Tod stirbt. Neu daran: Man kann Hinweise jetzt als gut oder schlecht bewerten, damit es zumindest bei dem einen dreckigen, schmerzhaften Tod bleibt.
Zusätzlich zu den Hinweisen hinterlassen viele Jäger außerdem einen Grabstein an der Stelle, wo sie ihr Leben (auf dreckige, schmerzhafte Weise) ließen. Per Knopfdruck können wir uns den Ghost unseres unglücklichen Kollegen anschauen und so (vielleicht) seinem Schicksal entrinnen.
Ganz neu sind die Kelch-Dungeons, generisch erstellte Dungeons, die man im Coop durchstreifen kann, um auch den letzten optionalen Boss zu legen und die mächtigste aller Jägerwaffen zu finden.
Augen und Ohren in Yharnam
Neben seinem süchtig machenden Gameplay hat sich Bloodborne auch technisch recht wenig vorzuwerfen. Das Art Design ist absolut top, Yharnam ist glaubwürdig, authentisch und in seiner bizarren Art immer wieder ganz schön unheimlich. Auch normale Feinde machen bisweilen in Sachen Größe und Kraft einen sehr ungemütlichen Eindruck (und das ja auch völlig zurecht), wodurch unser, sagen wir mal, Respekt ihnen gegenüber noch weiter verstärkt wird (und auch das völlig zurecht). Das Spiel läuft ruckelfrei und die Grafik sieht fantastisch aus, auch von den manchmal genannten Einbrüchen der frame rate haben wir nichts mitbekommen. Einzig mit Kantenflimmern hat das Spiel massiv zu kämpfen.
Ein besonderes Highlight ist der stark reduzierte Soundtrack, der ohne viel Brimborium eine beispiellos echte Atmosphäre zeichnet. Auch die deutschen Synchronsprecher machen ihre Sache vorbildlich. Nur bei den Übersetzungen hakt es manchmal ein wenig, aber das fällt zum einen nicht sehr ins Gewicht und wäre zum anderen auch dann angesichts der klasse Leistung verzeihlich.