Ubisoft schickt einen Klassiker in die sechste Runde. Ganze fünf Jahre mussten wieder ins Land gehen, bis der Nachfolger der von vielen geschätzten Heroes of Might and Magic Reihe erschienen ist. Neue Städte, Fraktionen und Konflikte warten darauf, von uns rundenweise entdeckt zu werden. Man konnte im Vorfeld hören, wie sich in der Fangemeinde Panik angesichts der vielen Änderungen, die dieser Titel angekündigt hat, breitmachte: ein freies Skillsystem, vier anstatt acht Ressourcen, Regionen-Kontrolle durch Städte und Festungen, eine vereinfachte Stadtansicht, Dynastiewaffen, Uplay-Pflicht und eine Savegame-Cloud. Ich nehm‘s vorweg, die Sorge bleibt unbegründet.
Story
Wenn ein Fürst stirbt, muss erfahrungsgemäß ein neuer her. Wenn der Fürst aber von der eigenen Tochter erstochen wird, dann ist der Familienfrieden dahin. Die sogenannten Geschwisterkriege nehmen ihren Lauf, allerdings bekriegen sich die Familiemitglieder nahezu nie untereinander.
Anastasya, die ihren eigenen Vater erstach, wird vom ältesten Sohn Anton für ihren Verrat erschlagen. Anton übernimmt die Macht und versucht, die Ordnung im theokratischen Reich wiederherzustellen (Zuflucht). Die gerade noch ziemlich tote Anastasya wird von ihrer Tante Sveltana, einer Nekromatin, zurück ins Leben geholt, weil sie glaubt, dass Anastasya unter einem Bann stand, als sie den Dolch in das Herz ihres Vaters stach (Nekropole). Kiril, der jüngste Sohn, verkaufte seine Seele an die Rache und landete prompt in Sheogh (Inferno). Sandor, der Bastard, ging darauf ins Exil und trifft auf Kraal, ein orkischer Stammesführer. Sandor hilft Kraal dabei, die Ketten der Sklaverei zu zerschlagen und den Orks eine neue, alte Heimat zu geben (Bastion). Und Irina wird an einen grausamen Herzog versprochen. Sie wird von Sandor im Laufe der Bastionskampagne dem Herzog geraubt und zur eigenen Sicherheit in die Wildnis Hashima’s, dem Wasserreich, gebracht, wo sie bei den Nagas Obhut findet (Sanktuarium). Eingeleitet wird dieses Familiengewirr von einem schön inszenierten Cinematic. Es sind zu Beginn gleich alle Kampagnen auswählbar. Man wird also nicht gezwungen, sich nach und nach durch die Fraktionen zu spielen. Die Geschichte wird im weiteren Verlauf durch vertonte Textdialoge und kleineren Zwischensequenzen fortgeführt und ausgeschmückt. Ein hochwertiger Cinematic, wie er uns als Intro begrüßte, bleibt dabei leider eine Seltenheit.
Spielprinzip
Schlechtes, das als solches in den vorangegangenen Titeln von den Spielern stark beanstandet wurde, wie zum Beispiel die aktive und übermächtige Heldeneinheit aus Heroes 4, wurde konsequent ausgemerzt. Man ist zu den etablierten Stärken von Heroes zurückgekehrt. Rundenbasierte Kämpfe, rundenweises Erkunden der Welt, das Sammeln von Schätzen und Ressourcen, der Ausbau von Burgen, um mehr Truppen rekrutieren zu können, und die durch Kämpfe gesammelte Erfahrung sowie Artefakte, die unseren Held ganz wie in Rollenspielen mächtiger werden lassen. Auch die Unterwelt und ihre Tore bleiben als Spielbestandteil seit Heroes 3 fest verankert.
Werfen wir also lieber einen Blick auf die wichtigsten Neuerungen und Veränderungen zum Vorgänger Heroes of Might and Magic 5. Zunächst mal haben wir mit dem Sanktuarium eine so noch nie dagewesene Fraktion dazu bekommen. Sie bedient sich ein wenig japanischer Samuraiklischees und leiht sich ihre Kraft aus dem Wasser. Die Fraktion ist stimmig und macht von Anfang an Spaß, sodass der Schrei nach Baumschmusern wie Elfen und Feen gar nicht erst aufkommt.
Die Kämpfe bedienen sich zwar noch einem Initiativsystem, das erstmals in Heroes of Might and Magic 5 eingeführt wurde, aber in deutlich abgewandelter Form. Konnten beim Fünfer Einheiten in guter Kampfeslaune schon zweimal an die Reihe kommen, bevor die unmotivierten Truppen überhaupt einmal die Klinge geschwungen haben, regelt die Initiative jetzt nur die Zugreihenfolge: Es gibt also Kampfrunden und Helden haben wieder pro Runde genau eine Aktion. Dazugekommen sind Sonderfelder auf dem Schlachtfeld, die zusätzliche Boni bieten, sofern sich Einheiten auf ihnen befinden. Jetzt hat auch jede Einheit, spätestens aber ihre Aufstufung, mindestens eine passive oder sogar aktive Sonderfähigkeit. Um nur ein paar zu nennen: Heilzauber, Greifensturzflüge, Flächenschaden, Blenden oder das Platzieren von Fallen, die Gegner an der weiteren Bewegung hindern, sofern sie hineinziehen. Das gibt dem sonst sehr veralteten Kampfsystem, das auch heute nicht auf Deckungen oder Flankieren setzt, ein wenig mehr taktische Möglichkeiten, die man vor allem zu Beginn einer Partie nutzen muss, um die Verluste gering zu halten. Leider zählt hier Masse mehr denn je und mit fortschreitender Wochenzahl werden die Standardkämpfe auf der Weltkarte lästige Pflicht. Immerhin bietet das Optionsmenü dafür den aktivierbaren Schnellkampf, bei dem der Computer den Ausgang berechnet. Sollte einem das Ergebnis nicht zusagen, darf man den Kampf neustarten und wieder selbst die Truppen dirigieren. Neu sind auch die in der Kampagne aufkommenden Bosskämpfe, bei denen man immer etwas anderes zu beachten hat. Sie sind abwechslungsreich, oftmals taktisch anspruchsvoll und lockern die teilweise eintönigen Standardkämpfe gut auf.
Nun zu dem überarbeiteten Ressourcensystem: Von den Bekannten bleiben nur Holz, Erz und Gold. Dazu gekommen sind die Blutkristalle, mit denen man gleich alles, was ein wenig hochwertiger ist, bezahlen darf. Kontrolliert werden die Minen diesmal zentralistisch. Soll heißen: Wenn man die Stadt oder Festung einer Region erobert, dann wechseln die Minen und Kreaturenbehausungen um die Befestigung herum ebenfalls den Besitzer. Ressourcenzank durch umherreitende Kleinsthelden, die niemals das Schwert in einem Kampf schwingen wollten, wurde so entgegengewirkt. Im Ganzen ist der Stellenwert der Ressourcen geschmälert und frühes, offensives Expandieren rentabler und wichtiger geworden. Das kann man jetzt befürworten oder eben nicht, ich lieb‘s. Innovativ im Zusammenhang mit den eroberten Städten ist die Möglichkeit, sie zu konvertieren. Gegen gehörige Kosten können schon gebaute Gebäude, falls möglich, zur eigenen Fraktion übertragen werden. Andere, die kein Pendant haben, werden abgerissen.
Bei den Helden hat sich auch wieder das eine oder andere geändert. Hatte man sich bei Heroes 4 noch überlegt, sie als eigene Einheit auf‘s Feld zu stellen, ist man davon wieder ab. Helden sind wieder Befehlshaber und haben wieder eine Aktion pro Runde. Sie können entweder mit einem direkten Angriff oder durch den Einsatz von Zaubern und anderen Fähigkeiten in die Runde eingreifen. Man kann gern auch die Aktion des eigenen Helden schlichtweg verschlafen… Magierschulen gehören jetzt der Vergangenheit an. Fähigkeiten und Zauber werden ganz wie bei einem Rollenspiel via Skillpunkt ausgewählt, dabei richten sich die angebotenen Zauberpfade nach der gewählten Fraktion. Falls die Hoffnung aufkeimte, dass ein schlechter Nekropolenspieler anfängt, sich mit Massenheilung selbst dahinzuraffen, muss ich diese gleich im Keim ersticken.
Den größten Tadel gibt’s für die fehlende Vollbildfunktion unserer Stadt. Stattdessen öffnet sich nur ein Fenster, das uns die Verwaltung von Truppen und Gebäuden ermöglicht. Dabei wollen wir doch sehen, wie sich unsere Niederlassung durch unser Zutun verändert und schöner wird. Allerdings hat Ubisoft Nachbesserungen versprochen. Die Innenansicht von Burgen und Festungen soll durch einen Patch nachgeliefert werden.
Technik
Die Grafik ist kein Augenöffner, aber im Vergleich zu Heroes of Might and Magic 5 wirkt sie runder und harmonischer. Die Texturen sind zwar zeitgemäß, aber das war‘s auch schon. Bei den Zwischensequenzen der Kampagne ist dann spontan einsetzende Kurzsichtigkeit von enormen Vorteil. Die Sequenzen wurden mit einem Tool aus den normalen Schlachtfeldmodels animiert und zurechtgeschnitten. Wo das Problem liegt? Die Models und Texturen sehen im Kampf ja noch passabel aus, in den Sequenzen dank gefühlt 50-facher Vergrößerung aber nicht mehr. Dass die Sprecher oftmals ihre Texte emotionslos runterbeten, ist der Atmosphäre noch weniger dienlich.
Wie für Heroes üblich wurde ein Szenarioeditor mitgeliefert. Erfahrungsgemäß die cleverste Variante, der Community die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Ideen auf Karten zu bannen, die man dann im Internet runterladen und bei sich einfügen kann. Der Editor ist im Vergleich zu seinen Vorgängern unwahrscheinlich komplex. Man darf gespannt sein, wer es schafft, gute Karten zu kreieren.
Der Mehrspielermodus ist und bleibt die größte Schwäche von Heroes of Might and Magic oder wie es jetzt richtig heißt: Might and Magic Heroes VI. Zwar ist er in allen Facetten implementiert (Online, Lokal und Hot-Seat), aber er erlaubt nach wie vor nicht das simultane Spielen. Online starrt man dann gern nach der Abgabe seiner Rundenphase zehn Minuten untätig auf den Bildschirm und das schon bei einer Partie mit nur vier Spielern.
Uplay und bestehende Internetverbindung sind durchgehend Pflicht. Sollte aus irgendeinem Grund die Verbindung abbrechen, wird man ins Hauptmenü geschmissen und muss sich erst wieder verbinden. Aber keine Angst, man verliert maximal die aktive Runde, da der Autosave bei Standardeinstellung nach jeder Runde speichert.
Fazit
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1 bis 8
Preis: 50 Euro
Erscheinungsjahr: 2011
Entwickler: Black Hole Entertainment
Publisher: Ubisoft
Erschienen für: PC
Getestetes System:
PC
Genre: Runden Strategie
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