Dieses Spiel ist nur auf Englisch erhältlich.
Ich weiß ja auch nicht genau warum, aber irgendwie konnte ich nicht widerstehen. Ja, ich verliere mich gern in Fantasy oder Sci-Fi-Welten. Ja, ich spiel' Rollenspiele (Pen & Paper, versteht sich). Ja, ich kann bei Lord of the Weed mitsprechen. Ja, ich bin ein bisschen nerdig, und das auch gern. Aber eine „Zauberer-Simulation", das klingt sogar in meinen Ohren freaky. Tja... jetzt liegt sie aber halt da. Hier vor mir. Ich werd' sie mir also genauer anschauen. Nur aus Rezensenten-Pflichtgefühl natürlich...
Become Magi
Die schwarze Box im Schatzkisten-Format strahlt etwas Mysteriöses aus. Auf der Rückseite befindet sich ein an mich geschriebener Brief. Er offenbart Wahnsinniges – ich bin ein Magier! Und das schon seit Äonen! Meine Seele hat nur für ein paar Jahrzehnte oder Jahrhunderte geschlafen. Aber jetzt, jetzt bricht eine neue Ära der Magie an – und da will ich scheinbar wieder mitmischen. Das Rüstzeug, um ein guter Magier zu werden, steckt schon in mir, ich muss mich nur noch daran erinnern. Der Inhalt der Box, so der Brief, wird mir dabei helfen.
Echte Zauberei
Besagter Inhalt lässt erstmal die Herzen aller Material-Liebhaber höher schlagen. Ernsthaft, ich habe diesbezüglich grandiose Spiele wie
Runewars,
Zombicide oder
Dust Tactics bei mir, aber
Serpent's Tongue sprengt den Rahmen. Dabei besteht das Spiel zu 90 Prozent aus Karten. Aber die sehen nicht nur phänomenal geil aus, sondern passen noch dazu toll in die mitgelieferten Zauberbücher – zwei sehr mystisch gestaltete Ledermappen. Und dann gibt's noch einen Energiekristall, Tracker für die verschiedenen Ressourcen, Sanduhr usw. Lasst euch gesagt sein, es gibt Opulenteres, aber die atmosphärische Stimmung – die sucht ihresgleichen!
Aber gut, das allein macht ein Spiel ja nicht aus. Was also machen wir mit dem ganzen Zeug? Das Herzstück sind die Karten. Die meisten davon zeigen Zaubersprüche der Stufen 1 bis 4. Damit bestreiten wir unsere Matches, egal ob Zauberer gegen Zauberer, eine Koop-Kampagne gegen das Spiel oder ganze Gruppenkämpfe – die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Um einen Zauberspruch zu wirken, und jetzt kommen wir zum Simulationsteil, sind zwei Dinge zu befolgen. Zum einen will jeder Zauber, der etwas auf sich hält, erst einmal durch eine entsprechende Formel beschworen werden. Die steht zwar auf der Karte, allerdings nicht so, wie wir es gewohnt sind. Die Autoren haben eine eigene Glyphenschrift entwickelt, die es zu lesen gilt. Zu diesem Zweck gibt es zwar Übersichtskarten, damit es wirklich flüssig (und damit auch wirklich cool) wird, sollte man die Schrift allerdings lernen. Und damit nicht genug: Jeder Zauber kommt aus einer von sechs Sphären und dient einem von sechs Zwecken wie Angriff oder Unterstützung. Jede Sphäre verlangt nach einer bestimmten Handhaltung, jede Zauberart nach einer Bewegung. Auch das sollte man sich gut einprägen, denn zum Zaubern muss man dann alles gleichzeitig machen: Formel aufsagen und richtige Bewegung mit richtiger Handhaltung ausführen. Dabei halten wir die Karte mit der Rückseite zu unseren Mitspielern, jene sehen darauf, welche Bewegung wir ausführen und was für Silben wir rezitieren müssen, um den Zauber erfolgreich zu beschwören. Gelingt uns das, bestätigen die Mitmagier mit einem „Aloom", bauen wir Bockmist, bekommen wir ein „Kotukh" zu hören.
Schon ein Stück weit verrückt. Und wenn man sich dann den Regelberg ansieht, der dahinter steht, wird's noch verrückter. Gute 70 Seiten ist er stark, und das nicht umsonst. Es gibt unzählige Effekte und noch mehr mögliche Kombinationen, Sonderregeln usw., die man beim Deckbuilding ausprobieren kann. Ohne das Schritt für Schritt-Tutorial, das ich unten verlinkt habe, fällt der Einstieg ziemlich schwer. Mit selbigem kommt aber schnell Ordnung in das Chaos und man kriegt Laune, seine eigenen Decks zu bauen und nach ganz eigenem Geschmack zu zaubern.
Duell der Magier
Weil ich euch natürlich nicht ganz ohne Regelinfos in die Wüste schicken kann, kommen jetzt die absoluten Grundsätze der Spielmechanik von
Serpent's Tongue.
Vor dem Spiel sucht man sich nach bestimmten Regeln seine Zaubermappe zusammen. Klassisches Deckbuilding. Dabei ist es wie bei jedem guten Spiel dieses Genres möglich, gefinkelte Kombinationen zu entdecken.
Das Spiel selbst läuft dann rundenweise ab. In einer Runde wird erstmal per Initiativwurf bestimmt, wer zuerst ran darf. In der Instandhaltungsphase werden dann diverse fortlaufende Effekte berücksichtigt, erschöpfte Zauber wieder bereit gemacht usw. Danach bereitet jeder Spieler bis zu drei Zauber (um dann flexibler zu sein) vor, die er dann in der Aktionsphase rausfeuern kann (WENN er es kann). In selbiger hat jeder Magier zwei volle Aktionen und die kann man zum Meditieren, Kontern oder Zaubern verwenden. Obendrauf hat jeder Spieler unendlich viele freie Aktionen, die durch verschiedene Karten im Spiel verfügbar werden.
Das Spielziel kann ganz unterschiedlich sein, vielleicht geht's nur darum, seinem Gegenüber eins auf die Glocke zu geben, vielleicht suchen wir solo ein seltenes Artefakt, vielleicht steht eine ganze Magiergilde einem übermächtigen, spielgesteuerten Monstrum gegenüber. Bei allen verschiedenen Ideen bleibt aber der obige Ablauf gleich.