Ich möchte dem Fazit ein Statement vorausschicken: Ich hatte stark das Gefühl, die Intention der
verbotenen Insel lag weniger darin, innerhalb des Genres Akzente zu setzen, sondern eher darin, Familien- und Gelegenheitsspielern zu zeigen "Übrigens, dieses Genre gibt's inzwischen auch." (falls das bei dem Genreboom wirklich noch nötig sein sollte). Für diese These spricht auch die Tatsache, dass es beim Familienverlag Schmidt Spiele und eben nicht bei Kosmos oder Pegasus herausgekommen ist.
Nun bin ich seit Reiner Knizias seligem Genrepapa
Der Herr der Ringe dabei, habe
Roter November,
Space Alert und eben auch der Insel "Großen Bruder"
Pandemie abgefeiert, stehe
Arkham Horror und
Ghost Stories unverhohlen kritisch gegenüber und habe
Der Hexer von Salem durchlitten (und das MEHRFACH!!! Ich bin schmerzfreier, als wohl so mancher dachte...). Kurzum: Das Koop-Genre ist eines der Genres, in dem ich mich schlichtweg zuhause fühle, und so betrachte ich dann eben auch
Die verbotene Insel. Und wie fällt dann eben der Blick auf Matt Leacocks neuesten Genrebeitrag aus? Naja, nicht so wirklich wohlwollend. Und das liegt wohl hauptsächlich - auch wenn es sehr nach "War ja klar" riecht - schlichtweg am direkten Vergleich mit
Pandemie: Neuthematisierungen und Umbauten von erfolgreichen Spielen sind natürlich nicht zwingend die beste Methode, sich in Spielerkreisen beliebt zu machen, können aber durchaus unterhaltsam sein (womit ich mein Haupt hiermit einmal unauffällig in die Richtung meiner Lieblinge von
Flying Frog Productions und ihrer
Last Night on Earth-Neuthematisierung
Invasion from Outer Space neige).
Doch ähnlich wie etwa seinerzeit Klaus Teuber mit seinem unsäglichen
Siedler von Catan Kartenspiel-Klon
Anno 1701 tappt Matt Leacock voll in die Falle: Mit traumwandlerischer Sicherheit hat er alles eliminiert, was
Pandemie interessant gemacht hat, dafür aber ein oder zwei neue Elemente eingebracht, die vielleicht genz nett sind, dem Spiel aber nicht helfen.
Und was fehlt der
Insel? Hauptsächlich zwei Elemente:
1. Das Kartenhaushalten: Die Entscheidung "Verwende ich diese Karte zum Reisen oder zur Heilmittelforschung" fällt komplett weg. Verschlimmert wird dieser Umstand dadurch, dass der Kartenstapel nach dem Durchspielen einfach wieder durchgemischt und neu gespielt wird, was einen weiteren Spannungsfaktor via Kopfschuss eliminiert.
2. Die Spannung der sich langsam steigernden Gefahr: Die Vereinfachung, dass gezogene Felder einfach auf "Überflutet" umgedreht werden, liefert nicht einmal ein Viertel der Spannung, die die ständig ansteigende Zahl an Krankheitswürfeln und die dadurch an allen Ecken drohenden Seuchen-Ausbrüche, die dem begeisterten
Pandemie-Spieler schon so manche Schweißperle auf der Stirn getrieben hat, bieten. Feld einmal gezogen - Platsch, überfutet. Feld noch einmal gezogen - Platsch, Feld versunken. Dagegen: Der dritte Würfel in London. Verdammt, Epidemiekarte. Wir müssen dort schnell heilen, sonst... Zu spät, Ausbruch. Der Gefahrenherd bleibt im Spiel, wir müssen also dort trotzdem heilen, sonst verteilt sich die Seuche noch mehr. Ja, aber... in Tokyo haben wir gerade dasselbe Problem... Naja, ich danke, es ist klar geworden, was ich meine.
Was war nun die Idee, die das Spiel von
Pandemie abheben sollte (wenn man von der Vereinfachung der Regeln absieht, die ja - siehe oben - nicht wirklich gutgegangen ist): Primär ist es wohl die Möglichkeit, die Insel jedesmal neu zu gestalten. Diese Idee kommt auch durchaus gut an, birgt aber - so leid es mir tut - auch ein gewaltiges Problem mit sich: Während ich bei einer Weltkarte mit rudimentärsten Geographiekenntnissen zumindest weiß, wo auf dem Globus ich ungefähr suchen muss, wenn ich eine Karte mit Namen "Shanghai" ziehe, verbringt man auf dem variablen Inselplan sehr viel Zeit damit, die mit stylischen Namen versehenen Felder zu suchen. Der Effekt, dass man mit fortlaufender Dauer durch langsames "Kennenlernen" der Insel die Plätze der Felder ungefähr kennt, wollte sich bei uns nicht einstellen, was aber - ich will fair bleiben - auch an zunehmender Lustlosigkeit unsererseits liegen kann.
Was die Inselfelder angeht hat man hier zudem, denke ich, eine große Chance verschenkt, denn ich frage mich ernsthaft, warum man den Feldern Namen wie "Tor des Vergessens" oder "Ebene des Feuers" gegeben hat, wenn sie im Spiel selbst dann nichts bewirken. Dabei hätte man damit einen ordentlichen Batzen Atmosphäre einbringen können, und den könnte
Die verbotene Insel durchaus dringend brauchen (zumal meiner Ansicht nach eine Trockenlegeereigniskarte mit dem Titel "Sandsack" das Abenteurerfeeling doch arg strapaziert).
Was also bleibt abschließend zur
verbotenen Insel zu sagen? Nunja, es ist nicht schlecht genug, um gleich Fackeln und Mistgabeln auszupacken, aber während bei
Pandemie eine Partie oft nicht genug ist, ruft
Die verbotene Insel nicht mehr als ein gleichgültiges Schulterzucken hervor. Ich denke, dieses Spiel ist mit "egal" recht allumfassend umschrieben. Es gibt zweifellos schlechtere Spiele in diesem Genre (obligatorischer Gruß an Michael Rieneck), aber eben auch deutlich bessere. Und davon ist eines sogar vom gleichen Autor...