Noch vor ein paar Jahren war es nicht unbedingt abzusehen, dass Exit- und Detektiv-Spiele einen wahren Boom erleben und aktuell weiterhin ungebrochen hohe Wachstumsraten vorweisen können. Über das Warum kann nur spekuliert werden, sicher ist aber, dass das gemeinsame Tüfteln und Lösen von Rätseln dabei einen sehr hohen Stellenwert einnimmt und auch von Spiele-Neulingen problemlos bewältigt werden kann. Chronicles of Crime von Lucky Duck Games, das 2018 in einer deutschen Version bei Corax Games erschienen, verband auf gelungene Art und Weise ein kooperatives Brettspiel mit einer sehr gut funktionierenden App zu einem spannenden Detektiv-Spiel. Ein knappes Jahr später folgten dann die beiden sehnlichst erwarteten Erweiterungen ebenfalls in deutscher Lokalisierung. Aber was bringen diese den Spielern? Einfach nur neue Fälle im bekannten Londoner Umfeld?
Mitnichten! Chronicles of Crime – Noir nimmt die Spieler mit auf eine Zeitreise ins Los Angeles der 40iger und 50iger Jahr des letzten Jahrhunderts. Film und Literaturfans ist diese Epoche auch als eben jenes titelgebendes Noir bekannt und spätestens bei der Erwähnung solcher Krimi-Autoren wie Raymond Chandler oder Dashiell Hammett bzw. der Nennung von Schwarzweiß-Filmen wie Die Spur des Falken oder Im Zeichen des Bösen sollte es eigentlich bei allen klingeln. Fast immer dreht es sich dabei inhaltlich um Privatdetektive, Mafiosi, korrupte Polizisten und eine geheimnisvolle, schöne Frau.
So auch in den vier Fällen der vorliegenden Erweiterung. Die Spieler schlüpfen in die Haut von Sam Spader, einem Privatdetektiv, und agieren ausgehend von seiner Detektei. Zur damaligen Zeit wurden natürlich auch andere kriminalistische Mittel angewendet als heute. Deshalb gibt es in den neuen Fällen logischerweise keine Kontakte mehr zu Hackern oder Kriminologen. Dafür kann man sich aber mit etwas Überredung bzw. Überzeugung die Unterstützung anderer Helfer wie z.B. einer vom Büro aus recherchierenden Sekretärin oder an der Aufklärung des Falles interessierter Journalisten oder Gerichtsmediziner sichern. Wer beim jeweiligen Fall helfen kann, muss man allerdings selbst herausfinden.
Als neues Spiel-Element gibt es nun vier atmosphärisch sehr passende Arten der Nachforschung: Einschüchtern, Einbrechen, Beschatten und Bestechen. Dadurch kann man vielleicht zusätzliche Informationen oder Indizien gewinnen, die man ansonsten nicht erhalten hätte, aber wie so oft, hat auch hier die Medaille zwei Seiten. So kann man, wenn man an die falschen Leute gerät, vielleicht selbst angegriffen oder gar verhaftet und ins Gefängnis gebracht werden. Das Beschatten hingegen kostet viel von der kostbaren Ermittlungszeit und für Bestechungsversuche benötigt man Geld, welches man sich im Laufe der Ermittlungen erst einmal auf verschiedene Arten mühsam verdienen muss, da ja Privatdetektive notorisch blank sind. Meint man alle Fakten zur Lösung des Falles beisammen zu haben, so kann man im Büro eine Art Abschlußbericht anfertigen. Dazu werden Fragen zu den verschiedenen Aspekten und Indizien des Falles gestellt. Die abschließende Bewertung richtet sich danach, wie gut und genau diese Fragen beantwortet werden konnten.
Fazit
Eines kurz vorweg: An den grundlegenden Spielmechaniken und –abläufen von Chronicles of Crime hat sich mit dieser Erweiterung nichts geändert. Insofern wird sich jeder Ermittler, der die Fälle des Grundspiels kennt, hier sofort heimisch fühlen. Chronicles of Crime - Noir bringt jedoch, auch bedingt durch das Thema, etliches an neuem Material mit, so dass neben der App mit den zugehörigen vier voneinander unabhängigen Szenarien nur noch der Hinweis-Spielplan und die Hinweis-Karten aus dem Grundspiel benötigt werden.
Spieltechnisch bleibt alles beim Alten: Spielmaterial und App sind wie im Grundspiel bestens verzahnt. Zudem ist das Thema Noir sowohl in sämtlichen Texten als auch durch die handelnden Personen und die neuen Spielelemente überaus gelungen umgesetzt. Dadurch wird die bisher schon sehr gute Atmosphäre nochmals gesteigert. Viele der Aktionen bzw. Euer Verhalten im Spiel haben Auswirkungen auf das Geschehen. Ein Zeuge, dem man z.B. Schutz anbietet, wird anschließend vielleicht mit Euch zusammen arbeiten. Da die Handlung aber nie wirklich vorhersehbar ist, gibt es immer wieder eine spannende Gratwanderung. Sagten die Personen wirklich alles? Oder sollte man da vielleicht mit den neuen Möglichkeiten ein bisschen nachhelfen? Aber geht dann der Schuss vielleicht nicht doch nach hinten los? Ständig gibt es knifflige Entscheidungen zu treffen und eine Menge an Informationen und Querverweisen muss verarbeitet werden. Genügend Stoff also für viele spannende und kommunikative Spielrunden, für die man allerdings auch am Thema interessierte Mitspieler benötigt.
Mit Chronicles of Crime - Noir ist es Lucky Duck Games und Corax Games in meinen Augen perfekt gelungen, an den richtigen Stellschrauben zu drehen und das ohnehin schon sehr gute Grundspiel nochmals deutlich zu verbessern. Für alle Spieler denen Chronicles of Crime gefallen hat, ist die hier vorliegende Erweiterung ein Pflichtkauf! Spieler, denen das Grundspiel hingegen nicht thematisch genug aus den vielen Detektiv-Spielen hervorstach, sollten Chronicles of Crime - Noir auf alle Fälle trotzdem noch einmal ausprobieren, es wird sich lohnen!
Redaktionelle Wertung:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 60 bis 120 Minuten
Preis: 25 Euro
Erscheinungsjahr: 2019
Verlag: Corax Games, Lucky Duck Games
Autor: David Cicurel, Stephane Anquetil
Grafiker: Huang Lei, Katarzyna Kosobucka, Mateusz Komada, Singhooi Lim
Spieleserie: Chronicles of Crime
Genre: Analog-Digital Hybrid, Deduktion, Detektiv Spiel, Kommunikation, Kooperationsspiel
Zubehör:
Spielanleitung
15 Ortstableaus
30 Charakterkarten
10 Sondergegenstandskarten
Vier Aktionskarten
Vier Kriminalfälle in der separaten App (Schwierigkeit: 2x Mittel, 2x Schwer)
Hinweis-Spielplan (aus dem Hauptspiel)
Hinweiskarten (aus dem Hauptspiel)