Nach dem eher mittelmäßigen „König Arthur“ und dem schon besseren „Die Insel“ gibt es nun einen dritten Anlauf der Firma Ravensburger, Elektronik und Brettspiel miteinander zu verbinden.
Wurde bisher der übliche Fehler bei der Einführung von neuer und innovativer Technik gemacht, darauf zu vertrauen, dass sich dieses Konzept von allein trägt und die Stärken eines Brettspieles, Atmosphäre und Spielwitz vernachlässigt, soll sich das nun grundlegend ändern.
Zum ersten Mal kommt die Elektronik in einem Kinderspiel zum Einsatz und ist hier eine bereichernde wenn nicht sogar geniale Komponente.
Doch der Reihe nach. Die erwachsenen Schlossbewohner sind ausgeritten um dem bösen Zauberer der Schloß und Königreich bedroht entgegen zu ziehen, den der magische, schützende Ring des Königs ist gestohlen worden. Die Kinder, in deren Haut die Mitspieler schlüpfen, mussten zurückbleiben und stellen nun fest, dass sie mit den Tieren im Schloß sprechen können. Diese haben in der letzten Nacht beobachtet, wer von insgesamt zehn verdächtigen Personen den magischen Ring des Königs gestohlen und in seiner Truhe versteckt hat und können Hinweise zum Verbleib geben.
Doch ganz so einfach geben die Tiere ihr Wissen nicht preis, sie wollen im Gegenzug verschiedene Arten von Lieblingsfutter haben und auch die Türen und Truhen im Schloß können nur mit Schlüsseln geöffnet werden. Das alles ist gut versteckt und muß erst gefunden werden.
Zudem kommt es noch viel schlimmer. Der böse Zauberer ist auf dem Weg ins Schloß, nur noch 6 Wegstunden entfernt und setzt die Kinder immer stärker unter Zeitdruck. Außerdem hat er einen quasi Verbündeten, das Schlossgespenst, welches ständig herumgeistert, allerhand Unsinn treibt und die Kinder immer wieder erschreckt. Die einzigen Helfer im Schloss sind ein Kater, der alle gefunden Schlüssel und maximal zwei Futterportionen schleppen kann, und die gute Fee, die praktisch aus dem „Off“ heraus agiert und den Kindern immer wieder kleinere Vorteile verschaffen kann.
Das Spielbrett mit seinen zehn Räumen zeigt die Isometrie eines Schlosses und ist grafisch hervorragend und mit viel Liebe zum Detail durchaus kindgerecht gestaltet. Die Tiere sind den einzelnen Räumen zugeordnet und immer wieder gibt es im Laufe des Spieles etwas zu entdecken, worauf man vorher nicht geachtet hat. Auch das restliche Spielmaterial steht dem Spielbrett weder funktional noch gestalterisch nach. Seien es die Bilder der Verdächtigen, die elektronische Zaubertruhe oder der magische Ring, der wirklich ganz und gar magisch aussieht.
Nun zum Spiel selbst. Jedes Kind würfelt zuerst aus, ob und wie weit der Geist durch das Schloß schwebt und bewegt sich erst dann selbst. In jedem der zehn Räume sind verschiedene Aktionen möglich. Man kann wie in einem „Light“ Rollenspiel die Zimmer nach Brauchbarem durchsuchen, mit dem entsprechenden Tier im Raum sprechen, ihm das hoffentlich gewünschte Futter geben, wenn man einen Schlüssel hat eine Truhe eines Verdächtigen öffnen oder in bestimmten Räumen auch zaubern. Das alles findet in direkter Interaktion mit der elektronischen Truhe statt, welche immer der aktive Spieler benutzt, der natürlich von allen Mitspielern beraten werden kann. Für jede der vorgenannten Aktionen gibt es eine Taste und über Tasten mit den Abbildungen der Tiere in den einzelnen Räumen wird der Truhe mitgeteilt, wo gerade welche Aktion ausgeführt werden soll. Dabei merkt sich die Truhe die vorrausgegangenen Aktionen, so kann man z.B. keine Truhe öffnen, wenn man vorher noch keinen Schlüssel gefunden hat. Immer wieder werden auch Aktionen durch Zufallsereignisse ergänzt, so öffnen sich Falltüren, der Schlossgeist poltert plötzlich durch das halbe Schloß und blockiert so Räume oder der böse Zauberer kündigt mit einem garstigen Lachen sein baldiges Kommen, lautstark untermalt durch das mehrmalige Schlagen einer Kirchturmuhr, an. Alle müssen sich merken, welches Tier welches Futter haben wollte und wo denn nun der vermaledeite Hebel für die Tür zum Verließ war, welche der Schlossgeist wieder hat zufallen lassen.
Das alles, insbesondere auch der zunehmende Zeitdruck erzeugen eine äußerst spannende Atmosphäre, welcher sich auch Erwachsene, die sich am Spiel beteiligen, schwerlich entziehen können. Hier kann es allerdings gut und gerne dazu kommen, dass es vor allem jüngeren Kindern schnell sehr unheimlich wird. Aber zusammen mit den anderen kann man da schnell beruhigend einwirken. Durch die Hinweise der Tiere, z.B. „Der Dieb ist nicht dick“, werden selektiv immer mehr Verdächtige von der Liste gestrichen, bis endlich die Anzahl der gefunden Schlüssel ausreicht, um in die Truhen der letzten Verdächtigen zu schauen. Wenn da bloß nicht dieser blöde Geist wäre, der es sich ausgerechnet in diesem Raum bequem gemacht hat…..
Mit diesem Spiel ist Ravensburger ein großartiger Wurf gelungen, dem ich zu Recht die Anwartschaft auf das Kinder- oder Familienspiel des Jahres 2008 einräumen würde. Grafisch perfekt umgesetzt, erzeugt es mittels der Truhe schnell eine schöne und angenehm gruslige Atmosphäre. Diese wird durch das gemeinschaftliche spielen noch unterstützt. Durch Anleihen aus dem Rollenspielbereich, durch das Austesten von Merkfähigkeit a la Memory und durch die technische Komponente der Truhe werden auch unterschiedliche Kinder angesprochen und finden über das gemeinschaftliche spielen zu einem echten Gruppen- und Zusammengehörigkeitsgefühl.
Durch die liebevolle Grafik, den greifenden Spielmechanismus und die ständig neue zufällige Verteilung von Futter, Hinweisen und Verräter werden auch Erwachsene schnell in Versuchung gebracht, „nur noch eine Partie zu spielen“. Und für alle die es für zu leicht befinden gibt es drei Schwierigkeitsgrade und im der härtesten haben selbst Erwachsene ganz schön zu knobeln.
Das einzige Manko fällt bei einem positive Ende, wenn der Ring gefunden wurde, auf.
Dann mauzt der Kater: "Gut gemacht! Ihr habt den Dieb erkannt und den Ring gefunden. Das Königreich ist gerettet!" und das war es auch schon. Die komplette angespannte Atmosphäre entlädt sich in einem lauen Lüftchen. So oft, wie der Geist gespukt und der Zauberer uns gegruselt hatte, wären ein paar letzte fluchende Worte wünschenswert gewesen. Aber das ist letztendlich eine unbedeutende Kleinigkeit.