Viele stehen dem Thema "Herr der Ringe" wohl eher ambivalent gegenüber. Spieler ganz besonders seit dem - mittlerweile wieder abgeflauten - Herr der Ringe Boom, der nach den Filmen ausgebrochen war. Warum ist ganz einfach zu erklären: die Spieleverlage haben zu besagtem Boom keine Kosten und Mühen gescheut, um Spiele in rauhen Mengen mit dem Herr der Ringe-Thema auf den Markt zu werfen. Versteckte Perlen fand man leider nur wenige darunter, dafür umso mehr Merchandising-Schrott. Die vielen verschiedenen Karten- und Brettspiele erschwerten dem Kunden die Entscheidung so sehr, dass einige schon vor dem Kauf entnervt aufgaben und sich lieber einem anderen Thema widmeten. Viele Käufer jedoch wurden leider auch von den oft mehr als seichten Spielmechanismen enttäuscht und so kam es, dass man Herr der Ringe-Spielen schon von Haus aus skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber stand.
Dabei gibt es ein wunderbares Herr der Ringe-Spiel von Reiner Knizia, das bereits vor dem großen Hype entstanden ist und bis zum Start der Kinofilme sehr viele Spieleexperten begeistert hat.
Dieses Brettspiel, das den schlichten Titel "Herr der Ringe" trägt, ist ein kooperatives Brettspiel. Die Spieler, die in die Rolle eines Hobbits schlüpfen, müssen zusammen spielen, um am Ende gemeinsam den Ring zu vernichten und gewinnen zu können.
Zu Beginn des Spieles stehen die 2 - 5 Hobbits auf einer Leiste dem bösen Herrscher Sauron gegenüber. Glücklicherweise ist dieser am anderen Ende des Spielplans angesiedelt, nämlich auf der dunklen Seite. Während des Spieles wird es passieren, dass die Hobbits sich Sauron nähern, denn auch er kann auf der Leiste vorwärts gehen. Sobald Sauron auf dem selben Feld steht wie der Ringträger, ist das Spiel für die Hobbits verloren.
Die Hobbits müssen also mit allen Mitteln verhindern, dass sie auf Sauron treffen. Möglichst schnell versuchen sie die verschiedenen Spielpläne Moria, Helms Klamm, Kankras Lauer und Mordor zu durchwandern, um zum Schicksalsberg zu gelangen, wo der Eine Ring zerstört werden muss.
Das ausgeklügelte System des Spiels macht den Hobbits das Leben allerdings nicht unbedingt leichter: jeder Spieler muss während seines Zuges Aktionsplättchen aufdecken und die angegebenen Befehle ausführen. So kann es passieren, dass Sauron schon mal einen Schritt vorwärts geht oder man z.B. Karten abgeben muss.
Selbst wenn man einen Spielplan erfolgreich absolviert hat, ist noch nicht aller Tage Abend. Die Hobbits haben nämlich die schwierige Aufgabe, während des Überquerens des Spielplanes auch noch sogenannte Lebensplättchen zu sammeln. Wer nicht alle drei Lebensplättchen vorweisen kann, wenn der Spielplan abgeschlossen ist, dem geht es an den Kragen - der arme Hobbit muss sich dem schrecklichen Sauron nähern.
Liebhaber von kooperativen Spielen wie "Schatten über Camelot" werden ihre Freude an "Herr der Ringe haben". Zur taktischen Ausgewogenheit mischen sich nämlich auch eine phantastische Stimmung und Spannung.
Obwohl man bei "Herr der Ringe" zusammen spielen muss, wird es niemals langweilig: dafür gibt es zu viele brenzlige Situationen, zu viele Möglichkeiten und vor allem zu wenig Karten. Läßt man sich bei einem Spielplan zu lange Zeit, treten zu viele negative Ereignisse ein - ist man allerdings zu schnell, können die Hobbits die notwendigen Lebensplättchen nicht einsammeln. Unter Umständen wird dadurch gerade der Ringträger gefährdet, was natürlich nicht sein darf.
Zwar kann man sich, wenn Feuer am Dach ist, oftmals gerade noch mit einer sogenannten Gandalf-Sonderkarte aus einer riskanten Situation erretten, jedoch gehen dabei meistens alle wichtigen Ressourchen der Hobbits drauf. Schlechte Karten für das nahende Ende. Oftmals können die Spieler gar nicht entscheiden, ob sie den vorliegenden Spielplan schnell oder langsam absolvieren wollen: es fehlen einfach die richtigen Karten, um überhaupt vorwärts zu kommen. Absprachen untereinander sind zwar ausdrücklich erlaubt, jedoch ist Kartentausch bis auf ein paar Ausnahmen strengstens untersagt.
Bis zum Ende des Spieles ist es ein gefährlicher und steiniger Weg - böse Zungen behaupten dasselbe von der Spielregel. Dies kann ich an dieser Stelle nicht bestätigen: die Spielregel ist zwar umfangreich, aber auch sehr ausführlich und klar. Ich habe das als sehr nützlich empfunden, weil man bei den vielen Sondersituation im Spiel oftmals ein Nachschlagewerk braucht. Nichts ist lästiger als ewiges Durchblättern der Spielregeln, wenn man gerade mitten im Spiel ist.
"Herr der Ringe" versucht durch Sonderregeln alles abzudecken, was Spieler wünschen: wer sich mit kooperativen Spielen nicht anfreunden kann, darf am Ende des Spieles auf einer Punktetabelle seinen Namen und die erworbenen Punkte eintragen - unter Umständen kann man so auch einen "Gewinner" unter den Hobbits ermitteln. Auf diese Weise kann man sogar Turniere spielen.
Spielern, denen die Komplexität zu gering ist, kann geholfen werden, indem man Sauron zu Beginn des Spieles einfach weiter vorne auf der Leiste starten läßt. Man kann das Spiel natürlich auch etwas leichter gestalten, indem man die Aktionsplättchen so anordnet, dass man gute und schlechte Aktionen zuerst trennt und dann drei Stapel bildet, die zu gleichen Teilen die Aktionsplättchen beinhalten. So ist gewährleistet, dass nicht alle schlechten Aktionen gleich zu Bgeinn eines neuen Spielplans auftreten.
Für "Herr der Ringe" gibt es die zwei (ebenfalls empfehlenswerten) Erweiterungen Herr der Ringe, Der - Die Feinde Erweiterung und "Sauron". In der ersten Erweiterung gibt es zwei zusätzliche Spielpläne, sodass die Reise der Hobbits verlängert und dadurch auch erschwert wird. Außerdem bekommt man sogenannte "Feinde"-Zusatzkarten, die das Spiel vorzeitig beenden können (wenn zu viele Feinde unbekämpft ausliegen, haben die Hobbits verloren). Die "Sauron"-Erweiterung ermöglicht nicht nur eine Erweiterung für bis zu 6 Spieler, sondern bietet auch weiteren taktischen Raum: Sauron wird jetzt von einem Spieler gespielt, der bemüht ist, die Hobbits daran zu hindern, an ihr Ziel zu gelangen.