Wer steckt hinter "Spiele von Doris und Frank"?
Doris Matthäus und Frank Nestel. Wir tragen das wirtschaftliche und erfinderische Risiko, unterstützt von vielen netten Menschen durch Spieletesten, Messedienst und Spielepacken.
Stellt euch doch mal kurz vor!
Doris Matthäus, selbstständige Diplom-Grafikerin, betreibt nicht nur den Verlag, sondern macht auch Grafik für andere Spieleverlage.
Frank Nestel, studierter Mathematiker, praktizierender Informatiker, hat manchmal Ideen.
Wie habt ihr euch kennen gelernt?
Auf einer Party von Schulfreunden. Eigentlich auf zwei Partys, die zweite war eine Faschingsfete, Doris ging als Gerippe, Frank als Geist.
Wie kam es zur Verlagsgründung?
Eigentlich gar nicht, schon der hemdsärmelige Name zeigt, dass es nicht ganz seriös gedacht war. Aber da war eben das Spiel
Eselsrennen, das auf dem Herner Spieleautorenwettbewerb einen guten Platz gemacht hatte und es hat uns nicht sofort jemand eine Lizenz abgekauft, da mussten wir es selber drucken. Das war ca. 1989 und dann tröpfelte immer mal wieder ein Spiel. Wenn wir gewusst hätten, dass das so lange weitergeht, hätten wir ganz anders angefangen.
Warum vertreibt ihr Spiele im Eigenverlag? Wäre es nicht risikoärmer, ein Spiel einem großen Verlag anzubieten?
Anbieten von Ideen bei Verlagen ist ein zeitaufwändiger, nervenaufreibender Prozess, zumal er gerade ganz am Anfang am schwersten ist, wenn man so niemanden in der Branche kennt. Dann wird eventuell das Spiel auch noch verändert (ja, klar, manchmal wird es auch verbessert; aber welcher Jungautor glaubt denn, man könne sein Werk noch verbessern?).
Beim ersten Spiel waren wir noch Studenten, da war schlicht all das Ersparte für die nächsten Urlaube das Risiko. Wenn es schief gelaufen wäre, dann hätte es wohl 1 bis 2 Sommer im Freibad vor Ort gegeben... Auf der anderen Seite, wenn es dann klappt, dann springt zunächst auch ein Tick mehr für einen selbst heraus. Wenn man nicht gerade ein Spiel des Jahres verpasst (weil man als Kleinverlag das nicht gestemmt bekommen kann), dann hat man halt nicht nur Autorenhonorar, sondern Autorenhonorar, eine (reduzierte) Verlagsspanne und bei Direktvertrieb manchmal noch ein bisschen Handelsspanne, das kompensiert schon einen gewissen Auflagefaktor.
Wenn man auf der anderen Seite nach ein paar Jahren die ganzen Produktionswege kennt und auch die Möglichkeiten der eigenen Vertriebsschiene, dann ist das Risiko überschaubar. Es gibt eine gewisse Gewöhnung, ja nahezu Verpflichtung. Erst in den letzten Jahren, wo nun die Zeit von anderen Aktivitäten, Familie, Job usw. doch immer knapper wird, nagt die Idee von Lizenzen wieder im Hinterkopf.
Wie viel Erfahrung hattet ihr zuvor schon am Spielesektor?
So gut wie keine, wir haben beide zu Hause in der Familie und mit Freunden gespielt.
Wie geht ihr an die Entwicklung eines Spiels heran? Gibt es zuerst ein Thema oder einen Mechanismus? Woher kommt die Inspiration?
Woher die Inspiration kommt, wissen wir nicht, sonst würden wir jede Woche ein neues Spiel erfinden. Die Inspiration kann beides sein, ein Mechanismus oder ein Thema. Bei mir (Frank) ist es manchmal ein Mechanismus, der fast in einem anderen Spiel angelegt ist, aber nicht ganz so.
Eselsrennen war in solch einer Hinsicht eine Antwort auf das
Kramersche
Heimlich & Co. und
Tante Tarantel auf
Wittigs
White Lady. Oft ist es hilfreich, wenn Mechanik und Thema sich schnell vereinen, dann kann es zu sehr runden Spielen kommen. Die Schlagregeln von
Zoff im Zoo wären ohne das Thema grausam, mit Thema sind sie witzig und merkbar.
Letztlich gilt aber auch oder sogar gerade bei Spielen die Faustformel von 10% Inspiration und 90% Transpiration. Ein Spiel ist etwas sehr interaktives. Bei einem guten Spiel gibt es neben dem eigentlichen Spiel noch 2, 3, 4 oder mehr, die genauso mitwirken, und das muss alles immer zur Unterhaltung aller funktionieren.
Was ist euch an Spielen besonders wichtig?
Das jemand Lust hat, es zu spielen.
Dabei muss ein Spiel nicht jedem dauernd gefallen. Ich meine das ist auch ein Vorteil der Kleinverlegerei. Es gibt manchmal auch speziellere Ideen und einem Kleinverlag reicht es, wenn er 1500 Leute findet, die
die Idee lieben. Da muss man nicht auf Werbetauglichkeit gucken, da kann man vielleicht sogar politisch ein bisschen inkorrekt sein;
Frisch Fleisch von
GT2Fun & Games wäre doch so nie auf den Massenmarkt gekommen.
Dass also ab und zu und dann aber auch immer mal wieder sich Leute finden, die Lust haben, dieses Spiel zu spielen. Das ist eigentlich das einzig Wichtige bei dem Spiel.
Wie man natürlich dahin kommt? Das ist schwierig, da spielen Mechanik, Interaktion, Thema, Grafik zu einem großen Ganzen zusammen.
Welche sind eure Lieblingsspiele, zum einen von den eigenen, zum anderen von fremden Autoren?
Ich glaube nicht, dass wir uns da einige sind :-) Ich, Frank, spiele nach wie vor jederzeit
Igel Ärgern,
Zoff im Zoo oder auch
Ursuppe oder
Mü und mehr. Ich meine, man verlegt aber ja die Spiele, weil man sie selber spielen will. Auf der anderen Seite erfindet man auch Spiele, wie
Arche Opti Mix, die einem selbst oft nach einem Tag im Büro zu anstrengend sind... Es gibt aber auch zahlreiche Spiele anderer Autoren, die ich gerne spiele. Die allerneuesten Sachen habe ich jetzt nicht mehr unbedingt im Überblick. Welches Spiel genau, hängt halt immer von den Gegebenheiten, Tageszeit, Mitspielern ab.
Geschenkt ist noch zu teuer kommt oft auf den Tisch, aber es ist halt auch kurz.
Dominion muss im Moment immer noch einmal ausprobiert werden. Aber das ist die Spitze eines großen Eisberges.
Wie lange dauert es, bis aus einer Idee ein fertiges Spiel wird? Geht es immer so rasch wie bei Igel Ärgern?
Igel Ärgern? Hat eigentlich nur Tage benötigt.
Pico war vielleicht noch schneller. In meiner Sturm- und Drangphase habe ich
Mü und mehr,
Ursuppe und
Zoff im Zoo fast gleichzeitig bearbeitet.
Mü hat glaube ich 2 Jahre benötigt, wohingegen
Zoff im Zoo viele Jahre immer mal wieder in der Schublade verschwunden ist, weil es klar war, dass es ein einfaches Spiel werden musste und die Regeln zu viele Ecken und Kanten hatte und der Ablauf nicht flüssig genug war. Das waren dann in Summe 7 Jahr oder so. Vielleicht sollte mir das peinlich sein, aber so ist es bei eben.
Ursuppe war in der Mitte.
In welcher Stückzahl produziert ihr eure Spiele?
Initial versuchen wir 2000er Auflagen, bei Spielen mit Spielkarten als Hauptmaterial vielleicht noch etwas mehr. Spielkarten sind in kleinen Stückzahlen echt ein Problem.
Was ist euer bislang größter Erfolg?
Selbstverlegt, oder fremdverlegt? Fremdverlegt ganz klar
Au Backe. ca. 70% der Schachteln auf dieser Welt, auf der Franks Name steht, sind Au Backe Ausgaben. Selbst verlegt? Ich glaube, viele Leute halten uns für die "
Ursuppe Company", auf der anderen Seite ist
Zoff im Zoo sicher das meistverkaufte. Und dann gibt es
Igel Ärgern, was wir nun seit bald 20 Jahren verkaufen und es wird immer noch verlangt...
Was jetzt Doris Spielegrafik betrifft: dreimal Spiel des Jahres (
El Grande,
Carcassonne,
Elfenland) ist nur mehr schwer zu steigern und
Carcassonne ist mit seinen vielen Erweiterungen auch ein steter Quell von Arbeit.
Gab es auch Rückschläge?
Meist hinter den Kulissen. Also wenn man lange an einem System tüftelt und dann am Ende alles zerfällt und kein Spiel herauskommt, dann hat man Zeit von sich und den Spieletestern verbraucht. Zum Glück gibt es Menschen, mit denen man auch einen schlechten Prototypen mit Spaß testen kann. Wirtschaftlich haben wir den grünen Bereich nicht verlassen, auch wenn es in letzter Zeit alles etwas "ausschwingt". In Grenzen ist das so gewollt, muss das so sein.
Wie sieht bei euch die Arbeitsteilung aus?
Doris macht im wesentlichen die Verlagsarbeit, Frank nur handlangerische Unterstützung. Die Entwicklung liegt in Franks Händen, wobei Doris dann immer entscheidet, wann etwas fertig ist, denn irgendwas könnte man immer noch verbessern.
Wo lasst ihr eure Spiele fertigen und packen?
Unterschiedlich. In den frühen Jahren haben wir fast alles selber und von Hand gepackt. Das kostet viel Zeit, auch unsere Freunde haben immer geduldig für etwas Tee und Kuchen geholfen. Da kostet auch Zeit, dass man die ganzen Teile ja einzeln einkaufen und drucken muss. Neuere Produktionen kommen hingegen eines Tages eingeschweißt von Ludofakt. Das muss so sein, denn wir sind nun alle keine Studenten mehr und Zeit wird knapp.
Wo steckt Arbeit drinnen, die man als Spieler so nicht sieht?
Überall und nirgends. Letztlich sieht keiner, dass keine große Firma jemals
Mü mit so einem aufwendigen Kartensatz (50 verschiedene Karten künstlerisch gestaltet) hätte produzieren können, letztlich spürt man
nicht, ob die Idee über Jahre reifen musste, oder die erste Idee gleich ins Schwarze traf. Auch die Arbeit, eine Anleitung hinzubekommen und die nötige Präzision, wenn man seinen Fehler nicht nachher tausendfach sehen will. Letztlich ist aber immer die Frage, was Spaß macht und was nicht. Einen dysfunktionalen Prototyp zu testen, kann manchem Spaß machen. 4x 55 Nährstoffe für
Ursuppe abzuzählen und in eine Tüte zu werfen, das ist nur eine Saison lang witzig.
Könnte man vom Spiele erfinden und verlegen leben? Schafft man dabei sogar zusätzliche Arbeitsplätze?
Wenn man davon leben will, dann braucht man ein Sprungbrett, ein besonders erfolgreiches Spiel und dann muss man sich auf den Sprung konzentrieren. Mit Plätzen auf der Auswahlliste hatten wir bereits Sprungbretter, aber wir sind nie gesprungen, wir leben nicht davon und es ist müßig zu überlegen, ob wir es gekonnt hätten. Ob nicht durch Vertrieb, Läden, Presse usw. nicht doch irgendwo ein Arbeitsplatz indirekt durch uns entstanden ist? Das ist eher noch müßiger zu überlegen. Letztlich gab es mal eine Kleinverlagsszene, die kleine Verlage und kleine Läden symbiotisch hervorgebracht hat. Die Läden kämpfen mit Internet und Versendern, die Verlage profitieren eher davon, das Ökosystem hat sich geändert.
Wie sehen die Vertriebskanäle und Hauptabsatzmärkte aus?
Unser Vertrieb geht im wesentlichen über den Heidelberger Spieleverlag, daneben haben wir in Deutschland noch ein paar wenige Läden als direkte Kunden. Das angelsächsische Geschäft machen wir eher mit Koproduktionen via
Rio Grande Games und
Z-Man Games. Etwas aus der Szene herausgefunden hat am ehesten
Zoff im Zoo.
Welche Marketingmaßnahmen trefft ihr, um auf den Verlag aufmerksam zu machen?
Wir haben eine Website und wir sind jedes Jahr in Essen. Wir leisten uns nicht jedes Jahr auf 150 Veranstaltungen Freiexemplare zu schicken, wir besuchen keine weiteren öffentlichen Veranstaltungen. Genug Leute finden uns.
Mit Arche Extra Mix erschien das bislang letzte Spiel 2006. Sind euch die Ideen ausgegangen? Darf man euch eigene Ideen zusenden und auf eine Veröffentlichung hoffen?
Hoffen tun wir auch. Ideen sind da. Es mangelt an der Zeit für das harte Testen. Geplant ist für 2009 eine Auflage von
Igel Ärgern mit neuem Design. "Der Markt" scheint es zu verlangen, nicht zuletzt auch, da
Igel Ärgern ja zuletzt den Sprung auf Nintendo DS geschafft hat. Wenn auch die Umsetzung nicht durchgängig gelungen ist. Viel Zeit ging zuletzt auch noch für
brettspielnetz.de drauf, wenn man so will ist das natürlich eine Marketingmaßnahme, schließlich kann man da neben
Igel Ärgern auch eine Variante von
Pico online spielen.
Rückblickend betrachtet: Würdet ihr das nächste Mal wieder alles so machen? Würdet ihr anderen Autoren zum Eigenverlag raten?
Ja, man könnte es durchaus noch mal so machen, was wirklich passiert hängt von vielen momentanen Strömungen ab. Die Möglichkeiten auch kleine Dinge zu vermarkten sind durch das Internet eher gewachsen auch wenn die Mund-zu-Mund-Propaganda engagierter Läden zunehmend wegfällt (Wenn man 2000 Spiele macht und ein Laden 1000 verkauft, dann ist das schon ganz gut, so war das damals mit
Igel Ärgern). Wenn jemand selber verlegen will, würde ich versuchen, sein Bild zurechtzurücken, ob er dann immer noch will, ist aber letztlich seine Entscheidung.
Was wollt ihr unbedingt noch erreichen?
Hmm, keine Ahnung, ein paar Spiele sollten sich schon noch erfinden lassen.
Wohin werden sich Spiele in Zukunft entwickeln?
Experten schätzen ja immer zu konservativ, aber ich bin ja auch keiner. Ich denke, es wird noch sehr lange eine Trennung zwischen Videospielen und Gesellschaftsspielen geben. Es wird auch noch lange eine harte Grenze zwischen Online- und Offlinespielen geben. Ich glaube auch, dass sich mit klassischem Material noch viel machen lässt, aber das irgendwann viel Computerleistung so billig zu haben sein wird, dass überall, im Brett, im Pöppel, im Würfel, in der Karte, Rechner sein werden und sich ungeahnte neue Möglichkeiten geben. Auf der anderen Seite ist die papierne Spielkarte immer noch ein extrem vielseitiges Stück Hardware und pfleglich behandelt so wartungsfrei. Es mag noch eine Weile dauern, dass man da noch mit Hardware und Software draufsatteln muss. Zumindest mache ich mir aber keine Sorge, dass wir keinen Spielspaß mehr haben werden.
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