Günter Cornett ist Spieleautor und Verlagseigentümer von Bambus Spieleverlag.
Er hat unzählige Spiele heraus gebracht, aber mit Kahuna wurde er auch auf dem Brettspielemarkt bekannter.
Dieses Interview wurde per E-Mail durchgeführt.
Spieletest.at: Wofür steht der Verlag und wie kam es zu dem Namen?
Die Pflanze Bambus ist äußerlich sehr schlicht, aber sehr vielseitig verwendbar. Für den Verlag soll es symbolisieren, dass es mehr auf den Spielinhalt ankommt als auf das äußerliche Design.
Spieletest.at: Seit wann gibt es den Verlag?
Seit 1995.
Spieletest.at: Wie viele Personen sind bei Deinem Verlag beschäftigt?
Ich bin der Verlag. Mitarbeiter gibt es nicht, aber viele Menschen, die mich unterstützen, z.B. beim Konfektionieren der Spiele oder beim Spiele-Erklären am Messestand
Spieletest.at: Kann man davon leben?
Ich nicht. Es gibt Kleinverleger, die es soweit schaffen, dass sie davon leben können. Sehr wenige sind richtig erfolgreich, viele Kleinverlage sind Zuschussgeschäfte. Wenn ich nicht hin und wieder eine Lizenz an einen großen Verlag verkauft hätte, würde es
Bambus Spieleverlag wohl nicht mehr geben.
Spieletest.at: Was arbeitest Du hauptberuflich?
Ich bin Spieleautor und veröffentliche Spiele bei anderen Verlagen. Ich betreue auch noch gelegentlich eine Webseite, mache Suchmaschinenoptimierung, jobbe mal in einem Spieleladen oder als Komparse usw.
Spieletest.at: Was hat Dich dann dazu bewogen einen eigenen Verlag zu gründen?
Der Glaube an das eigene Spiel trotz Absagen größerer Verlage.
Spieletest.at: Welche Spiele sind bisher im Verlag erschienen und in welchen Stückzahlen produziert Ihr?
Die Auflagen sind sehr unterschiedlich, von 100 bis 3000.
Flaschenteufel hat inzwischen eine verkaufte Auflage von 5000 Stück (zusätzlich zur holländisch-französischen Lizenzausgabe).
Hier noch eine Auflistung unserer Spiele:
1995:
Flaschenteufel und
Schlangennest
1996:
Le Jardin
1997:
Twilight (Wolfgang Werner) und
Arabana-Ikibiti
1998:
Nanuuk!
1999:
Autoscooter
2000:
So ein Zirkus
2001:
Kanaloa
2002:
Dr. Jekyll & Mr. Hyde (Wolfgang Werner) und
Arabana-Odopo
2003:
Pingvinas
2004:
Capt'n W. Kidd und
Chinagold
2005:
Spielebuch: Jam Dudel (Peer Sylvester) und
Socks in the City
2007:
Down Under und
Spielebuch: So spielt die Welt (Peer Sylvester)
2008:
Tokugawa (Tizian Blumenthal und Victor Gilhaus) und
Spielebuch: Entensuppe (David Parlett und Peer Sylvester).
Spieletest.at: Wieviele Mitarbeiter waren am letzten Spiel beteiligt?
An einer Spiele-Entwicklung sind die Autoren (1-2), Grafiker (1), der Redakteur (ich), Spieletester (10-30) und anschließend die Produktionsfirma beteiligt.
Spieletest.at: Würdest Du Spieleautoren zu mehr Mut raten, damit sie Spiele im Eigenverlag produzieren?
Nein, eher das Gegenteil. Aber das hängt von der eigenen Persönlichkeit ab. Die Energie und Zeit, die man in den Eigenverlag steckt, fehlt einem für die Entwicklung von neuen Spielen. Die Frage ist, ob man einen Verlag gründet oder lieber Verlagen Spiele zusendet. Das sollte danach beurteilt werden, welchen Teil der Arbeit man lieber macht.
Spieletest.at: Darf man Ideen einsenden, wenn ja in welcher Form?
Ich habe keine Zeit, andere Spielevorschläge zu testen. Daher kommt von mir ein Nein. Bambus wurde vor allem deswegen gegründet, damit ich meine eigenen Spiele veröffentlichen kann. Hin und wieder veröffentliche ich Spiele anderer Autoren, auf die ich in unserer Testrunde aufmerksam werde.
Aber generell ist es für Autoren sinnvoller, sich an Verlage mit besseren Vertriebsmöglichkeiten zu wenden.
Spieletest.at: Wie machst Du auf Bambus Verlag aufmerksam?
Über die Webseite im Internet, die Messe in Essen, Veranstaltungen wie den Herner Spielewahnsinn und über den Bambus-Newsletter.
Spieletest.at: Wie werden Deine Spiele vertrieben?
Übers Internet, über einige wenige Läden, im Direktverkauf auf Messen.
Spieletest.at: Wie bekommst Du Resonanz aus Spielerkreisen?
Über Rezensionen, Spieleforen und direkte Kontakte auf der Messe, sowie per E-Mail.
Spieletest.at: Was bringt denn überhaupt ein eigener Verlag?
Gute Frage. Ich überlege selbst häufig, ob Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen. Für mich lohnt es sich eher indirekt als durch die unmittelbaren Verkäufe. Hier noch ein paar weitere Punkte:
- Einige Spiele, die ich bei Bambus veröffentlicht habe, wurden bei größeren Verlagen erfolgreich verlegt.
- Der Verlag macht mich auch als Person bekannt.
- Bei Auftragsspielen kann ich auf entsprechende Referenzen verweisen.
- Manche Spiele wären nie veröffentlicht worden, weil die Zielgruppe sehr klein ist und dadurch diese Zielgruppe nur mit einem kleinen Verlag erreicht werden kann. Das lohnt sich nicht im finanziellen Sinn, aber man ist auch jenseits des reinen Kommerzdenkens Künstler, der sein Werk veröffentlicht sehen will.
Spieletest.at: Wo steckt Arbeit drinnen, die man als Spieler so nicht sieht?
Die Spieletests erfordern sehr viel Zeit. Auch das Schreiben der Spielregeln macht man nicht so nebenbei. Unheimlich viel Zeit kostet das Beantworten von E-Mails. Das schaffe ich gar nicht alles so, wie ich es gerne täte.
Spieletest.at: War Dein Verlag von Anfang an erfolgreich, oder gab es auch Rückschläge?
Auf der ersten Messe 1995 in Essen haben wir fast gar nichts verkauft. Die Verluste konnten wir auch durch spätere Verkäufe mit denselben Spielen nicht wettmachen.
Zwei Jahre später standen dann lange Schlangen am Messestand an, nach
Arabana-Ikibiti, welches später als
Kahuna bei
Kosmos erschien und sich dort etwa 200.000 verkauft hat. Ohne die vorherige Kleinauflage bei Bambus wäre
Kahuna nie bei
Kosmos erschienen.
Spieletest.at: Sind die Leute wegen Arabana-Ikibiti gekommen oder erst, nachdem es bei Kosmos erschienen ist?
Arabana-Ikibiti war schon vor der Messe bekannt, weil ich es in Göttingen mit Matthias Hardel (Pöppel-Revue) gespielt hatte. Er hatte es dann in der Oktober-Ausgabe der Pöppel-Revue rezensiert. Und Ken Tidwell hatte schon eine Regelübersetzung ins Netz gestellt. Wir sind mit 40 Spielen auf die Messe gegangen, haben dort nach produziert und über 100 verkauft.
Das Ganze ist hier gut beschrieben:
http://www.bambusspiele.de/news/messe/messe_e97.htm
Spieletest.at: Wow, dazu kann ich wirklich nur gratulieren. :-)
Spieletest.at: Wie und woher bekommst Du Deine Ideen?
Manchmal probiere ich an abstrakten Mechanismen, manchmal recherchiere ich gezielt in Büchern nach interessanten Themen.
Spieletest.at: Was ist an den eigenen Spielen wichtig, was ist den Spielen gemein?
Als Kind mochte ich gerne die Mengenlehre. Ich glaube, das sieht man einigen Spielplänen an. Man findet Inseln und Flächen, die sich überschneiden oder miteinander verbunden sind (
Kahuna,
Chinagold).
Und dann mag ich es, wenn das Thema dem Spiel nicht nur übergestülpt ist, sondern Spielmechanik und Geschichte eine Einheit bilden.
Spieletest.at: Wie lange arbeitet man an einem Spiel?
Von der ersten Idee bis zum fertigen Prototypen dauert es zwei Monate bis 20 Jahre. Ein bis zwei Jahre ist eine gute Zeit, dass ein Spiel auch reift. Die Umsetzung in das fertige Produkt braucht dann noch mal ein paar Monate.
Spieletest.at: Für welches Spiel hast du am längsten und welches Spiel am kürzesten gebraucht?
Schwer zu sagen. Kommt auch darauf an, welche Zeit gefragt ist:
Zum einen gibt es die Zeit zwischen dem ersten konkreten Arbeitsschritt und dem fertig getesteten Prototyp (= meine eigentliche Tätigkeit als Autor). Dann die Zeit bis zur Veröffentlichung (Verlage suche bzw. selbst verlegen kostet auch viel Zeit). Zum andern kann man es danach beurteilen, wie viel Zeit ich dem Spiel gewidmet habe.
Das hat oft gar nichts mit Anfangs- und Enddatum zu tun.
Chinagold hatte die kürzeste Zeit von der ersten Idee bis zum fertigen Prototyp (3 Monate). Ein paar Monate später habe ich es dann im Eigenverlag herausgebracht. Bei den anderen Spielen habe ich nicht wirklich einen Überblick, weil ich nicht Buch über die Stundenzahl führe. Für
Kanaloa (Bambus-Version) habe ich einige Wochen lang (natürlich nicht am Stück) Bücher über Hawaii gelesen, für
Nanuuk! Bücher über die Arktis - da ist dann peu à peu in den Prototyp eingeflossen. Die Zeit vergesse ich dabei.
Spieletest.at: Wo lasst Ihr Eure Spiele produzieren?
Kleinauflagen werden im Wohnzimmer konfektioniert. Das Material dazu kommt von Kleinteil-Herstellern und Druckereien.
Größere Auflagen werden bei gängigen Spiele- oder Spielkartenherstellern produziert.
Spieletest.at: Das heißt, du sitzt dann mit Freunden und Familie und ihr schneidet das Material und sortiert es ein?
Wie kann man sich das vorstellen? Ist das eher stressig oder doch ein nettes Beisammensitzen?
Ja, genau so machen wir es. Es ist eher gesellig, auch wenn es viel zu tun gibt. Wenn jemand kleine Kinder mitbringt und die sich langweilen, dürfen die auch schon mal mitarbeiten, in dem sie ein paar Steine zählen, auch wenn das insgesamt länger dauert.
Spieletest.at: Welche Spiele spielst Du privat?
Das ist sehr unterschiedlich und hängt auch davon ab, mit wem ich spiele.
Z. B.: 1830,
Tichu,
Wikinger,
Tsuro,
TaYü,
MammaMia (= der mit Abstand beste Rosenberg),
Die Werwölfe von Düsterwald,
Die Siedler von Catan,
Carcassonne,
Kardinal und König, usw. (Reihenfolge stellt keine Wertung da)
Spieletest.at: Was macht der Reiz dieser Spiele aus?
An manchen mag ich vor allem das Gesellige, an anderen mehr das Taktische, ... ich glaube, das lässt sich nicht so einfach auf den Punkt bringen. Oftmals ist es die gelungene Komposition, so wie es beim Essen ist, wo es nicht unbedingt die Frage ist, ob ich lieber Fleisch oder Gemüse mag, sondern wie es zubereitet ist, zu welcher Tageszeit und in welcher Stimmung es gegessen wird.
Spieletest.at: Wo siehst Du die Brettspiele in 10, 15 oder 20 Jahren?
Als Autor mit Eigenverlag habe ich nicht wirklich einen Überblick über den Markt oder die Entwicklung des Mediums. Zudem muss man vermutlich zwischen Brettspiel-Klassikern, Spiele für die breite Masse und Spiele für Vielspieler, Spielen mit Elektronik-Unterstützung, abstrakte Spiele, thematische Spiele, Merchandising-Spiele etc. unterscheiden.
Ich möchte dazu noch eine persönliche Geschichte erzählen.
Im Januar war ich ein paar Wochen lang Komparse bei einem Dreh in Babelsberg. Die meiste Zeit verbrachte ich zusammen mit 150 Kollegen in einem Aufenthaltsraum, wo sich nach und nach einige Spielrunden entwickelten. Das war für mich ebenso interessant wie ernüchternd: Am Anfang wurde Uno und Skat gespielt, dann kamen Monopoly und Risiko und eine Pokerrunde. Mensch ärgere dich nicht gab ein kurzes Gastspiel, und irgendwo lag auch ein Rushhour herum, wurde aber nicht gespielt. Wäre ich nicht dabei gewesen, wäre Sudoku das einzige moderne Spiel gewesen, das sich dort in der Normalbevölkerung etablieren konnte. Ich hatte mich von einer Doppelkopf-Runde einfangen lassen, auch mit dem Hintergedanken, mal den Flaschenteufel aus der Tasche springen zu lassen. Ich musste aber feststellen, dass der Normalberliner sich lieber auf ein Spiel festlegt, das er immer wieder spielt.
Erwähnte ich, dass wir täglich etwa 6-10 Stunden im Aufenthaltsraum zu brachten, die Hälfte davon mit Spielen, und zwar jeder Spieler mit immer dem selben Spiel. Der Normalberliner spielt monogam. Ich hatte in der Zeit durchaus Spaß an Doppelkopf, hatte aber doch Lust mal was anderes zu spielen. Zum Glück waren wir auch mal nur zu dritt, so dass ich zunächst den Flaschenteufel und dann Packeis am Pol auf den Tisch packen konnte. Flaschenteufel war meiner Doppelkopf-Runde zu kompliziert, obwohl es auch ein einfaches Stichspiel ist und logischer aufgebaut als Doppelkopf. Packeis am Pol aber wurde gern gespielt. Ich hatte noch nie so viele Partien hintereinander wie in Babelsberg.
Für die Beantwortung der Frage hieße das:
Auch in 20 Jahren werden
Uno, Skat,
Monopoly und
Risiko auf dem Brettspielmarkt immer noch die Nase vorn haben, vielleicht in computerunterstützter Form. Spiele mit einfachen Regeln bleiben gefragt. Selbst ein
Die Siedler von Catan wird vielleicht eher auf intellektuelle Spielekreise beschränkt bleiben oder werden.
Interessanter, wenn auch für den Spielemarkt nicht unmittelbar von Bedeutung, finde ich, ist die Entwicklung des Widerspruchs zwischen dem Spiel als Ware und dem Spiel als künstlerisches Werk. Computerspiele haben es - auch aufgrund der Nähe zum Medium Film - leichter als künstlerisches Werk wahrgenommen zu werden.
Brettspiele werden immer noch als Spielzeug wahrgenommen und weniger als eine Art Mitmach-Literatur angesehen. Bei Themenspielen können manche Verlage und Autoren schon etwas mehr machen. Anstatt einem Mechanismus ein beliebiges Thema überzustülpen, kann man auch etwas über das Thema mitteilen, dessen man sich bedient. Aber auch bei abstrakten Spielen kann man vielleicht mehr machen, um den Werkscharakter herauszustellen.
Spieletest.at: Eine letzte Frage noch. Was ist eine Mitmach-Literatur?
Solche Spiele bezeichne ich als Mitmach-Literatur, weil die Spieler Teil der Handlung werden. Wie in einer Romanhandlung gibt es auch im Spiel Akteure, Orte und Objekte. Das Regelwerk gibt vor, wie das alles zusammenhängt, sorgt dafür, dass das Spiel Anfang und Ende hat und sich dazwischen über einen oder mehrere Höhepunkte entwickelt. Während die Charaktereigenschaften der agierenden Figuren in einem Roman vom Autor entwickelt wurden, bringen die Spieler sich selbst ins Spiel ein, wenn sie im Rahmen der vom Autor vorgegebenen Möglichkeiten handeln und seiner unsichtbaren Leitung folgen. Das ist für mich Mitmach-Literatur.
Spieletest.at: Ich danke für das Interview.