„Im Jahr 1968 gründeten Tilmann Förtsch und Günther Menzel das Unternehmen mit dem Ziel hochwertiges Spielzeug anzubieten, das die Entwicklung des Kindes fördert“, heißt es auf der Homepage des Familienverlages, der ganz im Zeichen des Holzes steht. An dieser Philosophie hat sich bis heute nichts geändert. Das merkt man schon beim Betreten des Firmensitzes, der umringt von Wald und Wiesen sein idyllisches Dasein mit Blick auf die Alpen fristet. Sowohl außen als auch innen wurde reichlich mit dem freundlichen und warmen Material Holz gebaut. Und wohin man blickt, überall blinzeln und blinken bunte Farbkleckse. Von den Wänden lachen fröhliche Männchen, von der Decke flattern farbenfrohe Schmetterlinge, auf den Pflanzen sitzen grüne Frösche … alles aus eigener Produktion versteht sich.
„Ich habe mich sofort wohl gefühlt, wie ich das erste Mal hier reingekommen bin“, erzählt uns eine Mitarbeiterin. Und uns ging es nicht anders. Mit einem freundlichen Lächeln und einem warmen Händeschlag begrüßt uns der Firmenchef Matthias Menzel, der das Unternehmen von seinem Vater übernommen und weiter ausgebaut hat. „Matthias macht seine Arbeit extrem gut und mit sehr viel Einsatz und Energie“, munkeln einige Mitarbeiter.
Nach einer kurzen Besichtigung des Schauraums, wo unser erster Blick sofort auf
Venga-Venga! fällt, dürfen wir in charmanter Begleitung die drei Betriebsstätten besichtigen, in denen, nach akribischer Vorarbeit in der Redaktion und am Zeichenbrett, jene Spiele gefertigt werden, die tausende Kinder und Erwachsene Tag für Tag glücklich machen. Es ist kaum zu glauben, doch nach der Anlieferung des Holzes landet selbiges Stück Natur schon wenige Stunden später in einem Karton und wartet – wenn auch nur kurz – darauf, von UPS abgeholt und ausgeliefert zu werden.
Selecta hat, wie bereits erwähnt, drei Standorte. Zum einen die Zentrale mit dem Lager in Edling. Am anderen Ende der Straße ist eine Schreinerei, die früher ab und zu Auftragsarbeiten für Selecta durchgeführt hat. Seit über einem Jahr jedoch hat sich der Spielzeughersteller fix eingemietet und hat seine Drechselmaschinen und Trommeln in den Hallen des Familienbetriebs untergebracht. Hier entsteht alles, was rund ist – seien es Scheiben oder Kugeln, Kegeln oder Perlen. Die angelieferten Rundhölzer werden von den acht Drechselmaschinen so bearbeitet, dass in sekundenschnelle fertige Spielteile entstehen. Die Werkstücke werden gemeinsam mit den abfallenden Spänen in einer Kiste aufgefangen und danach auf Rüttelbändern vom Abfall getrennt. Während die rohen Spielfiguren auf ihre weitere Verarbeitung warten kommt der Holzabfall direkt in den „Dornröschenturm“ und wird zur Beheizung der Schreinerei und auch des Hauptwerks verwendet. So spart man nicht nur hohe Heizkosten sondern schont die Natur durch Abfallverwertung und Nutzung der eigenen Rohstoffe.
Ehe wir den Weg der Spielfiguren hier weiter verfolgen, werfen wir einen Blick auf die eigene Schreinerei, die etwa zwanzig Autominuten in Richtung München liegt. Hier werden alle nicht-runden Teile produziert, wie Würfel, Plättchen, plane Spielfiguren, aber auch Kindergarderoben, Puppenhäuser, Hampelfiguren oder Zimmerdekorationen.
Die zuliefernden Holzunternehmen bringen die noch rohen Balken direkt zur Selecta Schreinerei. Dort werden diese wahlweise zu Holzplatten oder Vierkanthölzern verarbeitet. Aus den Vierkantern werden dann Holzprofile geschnitten. So entstehen quasi meterlange Spielfiguren, die dann scheibchenweise abgeschnitten werden und so ihre endgültige Form erhalten. Wer schon einmal Holz gesägt hat weiß jedoch, dass Holzschnitt ganz schön ausfranst und lästige Schiefer abstehen lässt. Darum werden diese soweit fertigen Figuren nun in die Tischlerei in Edling gebracht, wo sie weiter verarbeitet werden. Dazu aber später.
Zuerst wollen wir in der Schreinerei verbleiben und einen Blick auf die Holzbretter werfen. Aus ihnen werden Memory Spiele gefertigt, Garderoben oder Dekorationen. Dazu werden sie zuerst einmal ungefähr zu recht geschnitten und dann lackiert. Auf die so entstandenen Holzplatten werden – wieder in Handarbeit – Transferfolien gelegt. 12 Platten auf einmal wandern so belegt in die Druckmaschine, wo sie bei 200 Grad 22 Sekunden lang einem Druck von 200 Bar ausgesetzt werden. Die Transferfolien werden abgesaugt und die Bretter landen in einem eigenen Auffangbehälter, von dem aus sie weiter zum trocknen gestapelt werden. Die verbrauchten Transferfolien werden im Übrigen an ein Verpackungsunternehmen weitergegeben, wo sie zu Füllmaterial umgearbeitet und später als solches erneut verwendet werden. Auch hier zeigt sich wieder die faszinierende Abfallverwertung und der rigoros gelebte Umweltschutz von Selecta.
Die bedruckten Holzplatten werden nun händisch in ihre finale Größe zersägt und per Hand in die Schleifmaschine eingelegt, wo abstehende Späne und scharfe Kanten entfernt werden. Ein weiterer Mitarbeiter sammelt die geschliffenen Plättchen wieder ein und sortiert sie zum Weitertransport.
Aufwändigere Gegenstände, wie beispielsweise die Garderobe Movella oder die Seitenteile von einigen Spielsachen oder Puppenhäusern, müssen gefräst werden. Dazu stehen vier Frästische bereit, die in mühevoller Kleinarbeit Schnitt für Schnitt programmiert werden. Mit Unterdruck werden die Holzbretter am Tisch angesaugt, während die Fräsmaschine ihrer Arbeit nachgeht. Natürlich wird hier der Sicherheitsaspekt groß geschrieben. So ist der neuere der Frästische in einem Gitterkäfig untergebracht, in dem auch ein neuer Roboterarm seiner Tätigkeit nachgeht und die Holzplatten selbständig auf dem Tisch auflegt und danach wieder auf Paletten sortiert. Öffnet man die Tür zum Käfig werden sofort alle Maschinen angehalten.
Der etwas ältere Tisch steht frei. Hier erfolgt das Auflegen und Abnehmen der Platten noch manuell. Zwar umgibt diesen Tisch kein Käfig, aber eine unscheinbare, schwarze Gummimatte. Unwissend tapsen wir hier fröhlich drüber, woraufhin ein Mitarbeiter mit einem riesigen Computer anrollt und alle Werkstücke und die Fräsanlage justiert. „Was tun Sie genau?“, wollen wir wissen. „Sie haben mit dem Betreten der Matte den Notstop ausgelöst. Ich muss nun die Geräte neu kalibrieren und justieren“. Mit einem leisen „Oups – `Tschuldigung“ schleichen wir uns davon, direkt in die Lackiererei.
Hier werden auf einer Art Förderband alle großen Teile durch einen Sprühnebel aus Farbe geschickt, getrocknet und ein weiteres Mal lackiert. Auch hier erfolgt das Auflegen, wenden und abnehmen der Werkstücke per Hand.
Die fertigen Teile kommen nun ins Zwischenlager, die rohen Spielfiguren hingegen werden wie erwähnt an den zweiten Betriebsstandort geliefert. Hier kommen sie, gemeinsam mit den dort gefertigten runden Spielteilen, in riesige Trommeln, in denen sie sich mehrere Stunden lang drehen. Sollen die Teile auch gefärbt werden, wird zusätzlich Farbe in die Trommel gegossen. Das Drehen in der Trommel bringt nun zweierlei: Zum einen werden die Kanten abgeschlagen, wodurch diese schieferfrei und rund werden, zum anderen sorgt die Bewegung für eine gleichmäßige Färbung aller Teile.
Die fertigen Figuren kommen im Anschluss aus der Trommel in große Kisten. Sollen die Teile auch noch bedruckt oder geprägt werden, so ist hierfür eine von Hand zu bedienende Maschine zuständig. Hier wird jeder Bauteil einzeln eingespannt und ein Stempel drückt der Kugel ihr Gesicht, dem Chip sein Logo oder der Blume ihren Glitter auf.
Im Vorraum des Lagers treffen alle Bauteile und Spielteile zum ersten Mal aufeinander. Noch lagern sie in großen Kisten und werden an kleine Montagefirmen aus der Region verteilt. Diese Leimen und kleben die Teile sorgsam zusammen und liefern sie wieder in selbigem Vorraum ab. Nun kommen die Packerinnen zu ihrem Einsatz. Ihre Aufgabe ist es nicht nur die richtigen Teile zusammenzusammeln und so in den Karton zu packen, dass sie nicht aneinander reiben können, sondern sie übernehmen auch die Qualitätssicherung: Jeder Teil wird überprüft und sofort ausgeschieden, wenn er nicht zu hundert Prozent den hohen Ansprüchen der Kunden entspricht. In der Ausschussware finden wir viele Teile, die selbst unser kritisches Auge nicht beanstandet hätte. Doch „es ist zwar nur ein winziges Astloch, aber ein Memo kann so nicht gespielt werden, weil man sich diese Rückseite leicht merken kann“, erklärt eine der gut gelaunten Packerinnen. Auch kleinste Kantenschäden, starke Maserungen, Verschmutzungen und Lackierfehler werden entdeckt, eventuell während dem Packen noch ausgeschliffen oder, wenn die Reparatur nicht möglich ist, ausgeschieden.
Die fertigen Kartons werden dann in Folie eingeschweißt und landen im Hochregallager nebenan. Von hier werden sie wenig später ins Kommissionierlager verschoben, von wo aus die Versandmitarbeiter die Spiele in die ganze Welt verschicken.
Was uns ganz besonders auffiel ist die Tatsache, dass wir während unseres gesamten, zweitägigen Aufenthalts keinen einzigen griesgrämigen Mitarbeiter gesehen haben. Jeder Einzelne sprühte vor Lebensfreude und Energie und erklärte mit Begeisterung was er tut und wie jener Produktionsschritt, für den er zuständig ist, abläuft. Diese gute Laune mag wohl auch an der hohen Eigenverantwortlichkeit liegen. Jeder Mitarbeiter kann seine Ideen einbringen. So kann es schon mal sein, dass jemand während der Produktion eine glorreiche Idee hat um Arbeitsabläufe zu perfektionieren, abzuändern und zu optimieren und flux wird diese auch in die Praxis umgesetzt.
Die Produktion, in die wir heute für Euch unsere Nasen stecken durften, ist aber nur ein kleiner Teil des Verlages. Bevor ein Spiel überhaupt in Produktion geht, muss ein abgegebener Prototyp zuerst durch die strengen Hände der Redaktion wandern, dann zahlreiche Kindertestspielrunden bestehen, die Budgetkontrolle überstehen, die schon so manches gute Spiel „gekippt“ hat, und schlussendlich am Reißbrett ausgetüftelt und designt werden. Hier kommt es nicht selten zu einem wilden Gefecht zwischen Designerin und Produktionsleiter: Sie will einige Millimeter weniger, damit das Produkt besser aussieht, er will einige Millimeter mehr, damit die Maschinen besser greifen können.
Das das Geplänkel bei Brotzeit und Kaffee aber schlussendlich immer zur hundertprozentigen Zufriedenheit der Kunden ausgeht, stellt der bayerische Familienbetrieb jedoch Tag für Tag erneut unter Beweis.