Spieletest.at: Wofür steht der Verlag Histogame und wie kam es zu dem Namen?
Histogame steht für Spiele mit historischem Hintergrund, mit möglichst schlanken Regeln und einem spannenden und atmosphärischen Spielerlebnis. Der Name ist ein doppeltes Wortspiel: Einerseits „historisches Spiel“, andererseits auch „Histogramm“. Deswegen auch das Logo der Gaußschen Normalverteilung.
Spieletest.at: Seit wann gibt es den Verlag?
Der Verlag wurde 2004 gegründet. Im selben Jahr wurde auf der Spielemesse in Essen das erste Spiel
Friedrich vorgestellt, von welchem mittlerweile die zweite Auflage vorliegt.
Spieletest.at: Welche Spiele sind bisher im Verlag erschienen und in welchen Stückzahlen produzieren Sie?
Zuerst ist einmal
Friedrich zu nennen, für dessen Veröffentlichung
Histogame gegründet wurde, zunächst als projektbezogener Eigenverlag. Insgesamt sind mittlerweile 5000 produziert worden. Im Jahr 2007 wurde das zweite Spiel veröffentlicht,
König von Siam von
Peer Sylvester. Die Startauflage betrug 3000 Stück.
König von Siam hatte mich beim Göttinger Autorentreffen sehr überzeugt. Das Spiel bietet bei kurzer Spieldauer viel Tiefe. Damit sollten Spielergruppen erreicht werden, welche von der längeren Spieldauer bei
Friedrich abgeschreckt waren. Ein zusätzliches Standbein ist die seit 2005 bestehende Kooperation mit dem US-Verlag
Simmons Games. Ich vertreibe die Spiele von
Simmons Games in Europa und
Simmons Games vertreibt meine Spiele in den USA.
Simmons Games ist etwas mehr Richtung historische Simulation ausgerichtet, erschienen sind bisher „Bonaparte bei Marengo“ und
Napoleons Triumph, welches die Schlacht von Austerlitz thematisiert.
Spieletest.at: Mit welchem Ziel wurde Histogame gegründet?
Friedrich ist ein Jugendwerk, entstanden ca. 1986. Das ursprüngliche Ziel war es, dieses Brettspiel endlich den Spielern zugänglich zu machen. Nach seinem Erfolg hat sich die Zielstellung allerdings geändert, wie man ja an der Veröffentlichung von
König von Siam erkennen kann. Nun will ich historische Spiele, die ihr Thema wirklich ernst nehmen und einen besonderen Pfiff haben, veröffentlichen, fungiere also auch als Verleger und nicht mehr nur als Eigenverleger.
Spieletest.at: Welches sind die nächsten geplanten Projekte?
Als Fortsetzung zu
Friedrich soll ein Spiel über den österreichischen Erbfolgekrieg erscheinen. Der Arbeitstitel lautet „Maria Theresia“. Hoffentlich kann es 2009 erscheinen.
Weiterhin arbeitet
Simmons Games an einem neuen Spiel namens „The Guns of Gettysburg“.
Spieletest.at: Wie viele Personen sind bei Histogame beschäftigt?
Der Verlag ist ein „Ein-Mann-Unternehmen“.
Spieletest.at: Kann man davon leben?
In den letzten Jahren hätte ich knapp davon leben können, etwas auf Hartz IV Niveau, oder sogar darunter. Allerdings ist die finanzielle Decke bei nur 2 Spielen sehr dünn. Vor allem braucht man ja eine Rücklage, um das nächste Spiel zu finanzieren. Wenn die Verkaufszahlen dann plötzlich einbrechen, ist Schicht im Schacht. Deswegen habe ich noch einen regulären Job, der mir meine Unabhängigkeit garantiert.
Spieletest.at: Der da wäre?
Ich bin Geowissenschaftler in Potsdam und mein Arbeitsgebiet ist die Bestimmung der Erdfigur.
Spieletest.at: Das hat nicht all zuviel mit Geschichte zu tun, da hätte ich jetzt etwas anderes erwartet?
Ja, das ist richtig, mit Geschichte und meinem Hobby hat mein Beruf wirklich nicht viel zu tun. (lacht)
Spieletest.at: Würden Sie Autoren von Spielen zu mehr Mut raten, um Spiele im Eigenverlag zu produzieren?
Das ist definitiv eine schwierige Frage. Für mich selbst war es das Beste was mir passieren konnte. Ich konnte
Friedrich so veröffentlichen, wie es mir vorschwebte und musste keine Kompromisse eingehen. Der Planungs- und Produktionsprozess ist auch sehr spannend.
Wichtige Voraussetzungen für einen Eigenverlag sind zudem: vorhandene Zeit und vorhandenes Startkapital zur Vorfinanzierung des Spieles. Von beidem kann man gar nicht genug haben. In jedem Fall stecken ein großes Risiko und eine Menge Arbeit in solch einem kleinen Verlag. Selbst ein gutes oder sehr gutes Spiel ist noch kein Garant, dass das Ganze funktioniert. Man braucht auch ein wenig Glück, damit ein Spiel die entsprechende Aufmerksamkeit bekommt. Ein Problem ist zudem, dass die Meßlatte der Eigenkritik im Eigenverlag meist etwas tiefer liegt. Es fehlt die redaktionelle Arbeit des fremden, unvoreingenommenen Blicks, sozusagen das Lektorat. Zwar kann man im Eigenverlag seine Vorstellungen 1:1 umsetzen, aber wenn diese am Geschmack der Spieler vorbeigehen, ist das den Verkaufszahlen sicher nicht zuträglich.
Spieletest.at: Wie machen Sie auf Histogame aufmerksam?
Ich habe mit
www.histogame.de eine eigene Webseite und bin regelmäßig auf der Spielemesse in Essen mit einem eigenen Stand vertreten. Eine der witzigsten Werbungen geschieht zudem in Hamburg im deutschen Schauspielhaus. Dort wird zu Beginn der Aufführung der „Minna von Barnhelm“ auf der Bühne
Friedrich gespielt. Im weiteren Verlauf des Stückes wird die Schachtel arg in Mitleidenschaft gezogen. Man sollte fast darüber nachdenken, für jedes Theaterstück ein passendes Spiel im Sortiment zu haben. (lacht)
Spieletest.at: Wie vertreiben Sie ihre Spiele?
Die üblichen Kanäle: Großhändler, Händler und Direktversand sowohl national als auch international. Wobei auch zu sagen ist, dass gerade
Friedrich im englischsprachigen Ausland ein echter Renner ist.
Spieletest.at: Wie bekommen Sie Resonanz aus Spielerkreisen?
Vorwiegend über das Internet. Sehr viel über die Homepage des Verlages, aber auch über Boardgamegeek oder durch die Vorbereitungen zur alljährlichen Friedrich WM.
Spieletest.at: Was bringt ein eigener Verlag?
Außer der Arbeit? Sehr viele emotionale Erlebnisse. So hat mir z.B. ein Spieler anlässlich der zweiten Friedrich-WM hier in Berlin eine siebenbändige Friedrich-Biografie von Thomas Carlyle mitgebracht, eine wunderbare Ausgabe mit Goldschnitt, ca. aus dem Jahr 1900. Das war schon ein sehr bewegend.
Oder der phantastische Spielbericht auf
Boardgamegeek, geschrieben von Pat Hirtle. Unglaublich was er da an Arbeit hineingesteckt hat, und sein Humor ist einfach großartig!
Spieletest.at: War der Verlag von Anfang an erfolgreich, oder gab es auch Rückschläge?
Ich hatte durch die Messe in Essen 2004 einen sehr guten Start und nach den ersten positiven Besprechungen in den USA auch dort sehr gute Verkaufszahlen. Alles in allem bereue ich nicht, diesen Schritt gegangen zu sein.
Spieletest.at: Darf man Ideen einsenden, wenn ja in welcher Form?
Anfragen sind jederzeit gern willkommen, allerdings sollte man dabei die Ausrichtung des Verlages vor Augen haben. Ideal wäre es, als Mailanhang die Spielregel beizulegen, damit ich mir vorab schon mal ein Bild machen kann. Von der Einsendung von Prototypen bitte ich hingegen abzusehen. Leider sind wirklich gute Ideen sehr rar gesät. Daher möchte ich ausdrücklich allen Interessierten Mut machen, mich bei einem entsprechenden Thema zu kontaktieren.
Spieletest.at: Welches sind bisher die größten Erfolge bzw. Auszeichnungen für den Verlag?
Ganz klar die Auszeichnung 2006, als
Friedrich zur „Best historical simulation“ vom Games 100 Magazin in den USA gewählt wurde.
Spieletest.at: Was ist an den eigenen Spielen wichtig, was ist den Spielen gemein?
Wichtig für die Spiele von
Histogame ist, wie schon kurz beschrieben, in jedem Fall ein historischer Hintergrund, welcher mehr als eine austauschbare Staffage ist und der gleichzeitig für Spannung und Atmosphäre sorgt. Dazu kommt eine möglichst schlanke Regel. Als wichtigste Gemeinsamkeiten von
Friedrich und den Spielen von
Simmons Games wären zu nennen: die historische Simulation mit gleichzeitiger Suche nach neuen Spielkonzepten, z.B. existieren keine Würfel, keine Hexfelder, dafür aber z.B. Spielkarten. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass wir keine „Counter“ mögen, sondern Spielsteine zum Anfassen wollen. Die Haptik ist uns wichtig, und diese ist ja auch der Hauptvorteil eines Brettspiels gegenüber einem Computerspiel.
König von Siam tanzt ein wenig aus der Reihe, denn der historische Hintergrund ist hier vager als bei
Friedrich. Zudem ist es kein militärisches Spiel. Aber, und das ist mir wichtig zu betonen: Historische Themen sind keinesfalls nur die militärischen!
Spieletest.at: Wo lassen Sie Ihre Spiele produzieren?
Die Spiele werden von Ludofact in Deutschland produziert. Hier lassen viele namhafte Verlage fertigen, meines Wissens z.B. auch
Kosmos oder
Hans im Glück.
Spieletest.at: Bald steht der 300. Geburtstag von Friedrich dem Großen ins Haus. Planen Sie zu diesem Anlass etwas Besonderes?
Geplant ist, die Friedrich-Weltmeisterschaften bis 2012 fortzuführen (dies hängt natürlich auch von den Teilnehmerzahlen ab!). Dann wäre die letzte Weltmeisterschaft zu Friedrichs 300. Geburtstag, und es hätte genau 7 Weltmeisterschaften gegeben, recht passend zum im Spiel thematisierten Siebenjährigen Krieg. (Übrigens: Es sind noch Anmeldungen für die diesjährige Weltmeisterschaft Anfang September in Berlin möglich!
www.histogame.de)
Eventuell plane ich auch eine Sonderedition des Spieles, dies ist aber noch nicht sicher.
Spieletest.at: Wie lange arbeitet man an einem Spiel?
Das ist ganz unterschiedlich.
Friedrich war im Prinzip nach einem halben Jahr fertig, während ich an „Maria Theresia“ hingegen schon 3 ½ Jahre arbeite und noch immer nicht ganz zufrieden bin. Manchmal ist in solchen Situationen die Frustrate immens hoch, wenn z.B. gute Ideen da sind, die aber entweder nicht funktionieren, oder die funktionieren, aber nicht die gewünschte Spannung erzeugen.
Zudem kommt meistens dazu, dass durch den eigentlichen Beruf auch jede Menge Zeit und Energie gebunden wird.
Spieletest.at: Wie und woher bekommen Sie ihre Ideen?
Die Idee zu
Friedrich kam mir z.B. während ich in den 80iger Jahren die DDR-Fernsehserie „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ gesehen habe. Nachdem dann das Grundgerüst, basierend auf einem unregelmäßigem Straßennetz, einem regelmäßigen Gitternetz für die Spielkartenfarben, den Heimatgebieten in Form von Flächengrenzen und dem Einsatz der Spielkarten für Kämpfe und die Schicksalskarten, sicher stand, ging das restliche Feintuning außerordentlich schnell. Fast ein Selbstläufer.
Spieletest.at: Aber als Autor wird doch ein Richard Sivél genannt?
Das ist mein Künstlername, entstanden vor längerer Zeit in der Phase als ich intensiv rhythmische Prosa und Erzählungen schrieb.
Spieletest.at: Welche Spiele spielen Sie privat?
Nun, einerseits bin ich ein begeisterter Wargamer und spiele gerne Hardcore-Spiele wie z.B. „World in Flames“ oder „Battles of the Age of Reasons – Lobositz“, welche ziemlich lange dauern können. Andererseits liebe ich auch Familienspiele wie z.B.
Siedler von Catan oder
Kuhhandel. Fast gar nichts kann ich mit den Spielen aus der
Risiko Familie anfangen, da fehlt mir einfach der Tiefgang. Auch mag ich keine Spiele, die keine Interaktion haben und wo jeder nur vor sich hin optimiert. Das ist mir einfach zu spannungsarm.
Spieletest.at: Wo sehen Sie die Brettspiele in 10, 15 oder 20 Jahren?
Ich denke, die Spiele-Branche wird sich, wie in den letzten 15 Jahren auch, in kleinen Schritten weiterentwickeln. In jedem Fall wird ein richtiges, möglichst nicht beliebig austauschbares Thema immer wichtiger, zudem neben der Qualität des eigentlichen Spiels, eine gute Grafik und eine solide Ausstattung. Die Brettspiele müssen gegenüber den Computerspielen genau mit diesen Dingen punkten. Viele Spieler wollen ein haptisch schönes Spiel, über welches man zu geselligen und natürlich auch kommunikativen Spielrunden kommt. Andererseits sind Computer und das Internet auch ein Segen für die Branche, denn dadurch können insbesondere Nischenprodukte am Markt überleben. Meine erste größere Bestellung für
Friedrich kam nach der Messe in Essen z.B. aus Singapur! Ohne das Internet hätte ich als Verlag vor 20 Jahren eine glatte Bauchlandung hingelegt.
Spieletest.at: Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die nächsten Projekte!