Wir waren bei Sony zu Gast und durften bereits zwei Level des neuen PS3-Exklusivtitels der Heavy Rain-Macher anspielen und präsentieren euch unsere Eindrücke im ausführlichen Preview.
Schon mit Fahrenheit konnte das Entwicklerstudio Quantic Dream 2005 durch sein sehr neuartiges Bedienkonzept und eine außergewöhnliche Spielerfahrung auf sich aufmerksam machen. Mit dem Nachfolgespiel Heavy Rain gelang es den Franzosen dann, einen Exklusivtitel zu zaubern, der für viele Spieler der ausschlaggebende Grund war, sich eine PlayStation 3 in ihr Wohnzimmer zu stellen. Eines vorweg: Wer mit dem Konzept des „interaktiven Films“ schon bei den Vorgängern nichts anfangen konnte, der wird an Beyond: Two Souls wohl eben so wenig Freude haben.
Nicht nur, dass Beyond wie schon seine Vorgänger enormen Wert auf die Story und eine cineastische Präsentation der derselben legt, Quantic Dream hat sogar zwei namhafte Schauspieler verpflichtet, die in die Rolle der Hautfiguren schhlüpfen: Ellen Page, bekannt aus Juno und Inception, und Willem Dafoe, oscarnominiert für sein Rolle in Platoon und weithin bekannt als der Green Goblin in Sam Raimis Spiderman-Trilogie.
Beyond: Two Souls ist tatsächlich so nah dran am Erlebnis Film, dass es als erstes Videospiel überhaupt mit einem Trailer am Tribeca Filmfestival vertreten war. Diesen Trailer möchten wir natürlich niemandem vorenthalten:
Seelenwanderung
Wir begleiten Jodie Holmes (Page) über fünfzehn Jahre ihres Lebens, beginnend im zarten Alter von acht Jahren. Jodie hat massive Probleme, sie kommt mit ihrer Familie nicht klar und wird von ihr verstoßen. Schuld daran hat ihr dunkler Begleiter Aiden, mit dem nur sie in der Lage ist zu kommunizieren und der bei weitem nicht so harmlos in Erscheinung tritt wie eine zwar tragische, vergleichsweise aber harmlose Schizophrenie. Aiden ist fest mit Jodie verbunden, kann aber ihren Körper verlassen und sich in einem bestimmten Radius frei in der Luft herumbewegen. Außerdem ist es dem Geist möglich, enorme Kräfte zu entwickeln. So hilft er Jodie öfter aus der Patsche, indem er für sie gewalttätig den Weg frei räumt, Gegner erwürgt oder sogar Besitz von ihnen ergreift oder das Mädchen in ein schützendes Energiefeld hüllt.
Diese „Gabe“ bleibt natürlich nicht verborgen und so interessiert sich schon bald die CIA für das Mädchen. Jodie merkt jedoch irgendwann, dass sie nur benutzt wurde und ist fortan vor eben jener Regierungseinheit auf der Flucht.
Quantic Dream hüllt sich wie immer in Schweigen und so ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wirklich viel zur Story bekannt. Jedoch wird sich Beyond in einem Punkt entscheidend von seinem Vorgänger Unterscheiden: Die Story folgt einem roten Faden. Konkret bedeutet das, dass der Spieler zwar verschiedene Wege zum Ziel vorfinden wird, das Ziel selbst sich allerdings nicht verändert. Sofern die Entwickler – wie immer unter der Regie von David Cage – also nicht noch eine besondere Überraschung für uns parat haben, werden alle Spieler dasselbe Ende zu sehen bekommen. Der Weg dorthin kann aber äußerst unterschiedlich sein, wie wir beim mehrmaligen Durchspielen der zwei vorgestellten Level selber feststellen konnten.
Geht nicht, gibt’s nicht
Die Steuerung ist sehr simpel gehalten und sollte damit auch für Gelegenheitsspieler leicht zugänglich sein. Mit dem linken Stick steuern wir die Hauptfigur durchs Level, den rechten Verwenden wir für das Ausführen von Aktionen. Außer in Quicktime Events müssen wir von den anderen Tasten beinahe keinen Gebrauch machen. Mithilfe der Dreieckstaste können wir zwischen Jodie und Aiden wechseln. Da sich der Geist frei im dreidimensionalen Raum bewegen kann, bekomm er die rechten Schultertaste zur Adjustierung der „Flughöhe“ spendiert. Mit der linken Schultertaste initiieren wir Aktionen an markierten Orten, z.B. das aus dem Weg räumen von Hindernissen oder das Angreifen oder Übernehmen von Gegnern. Anhand einer farbigen Aura ist auszumachen, wie mit dem Gegner verfahren werden kann: blau ist neutral, rot wird getötet, orange in Besitz genommen. Orte an denen Aktionen durchgeführt werden können sind mit einem simplen weißen Punkt markiert.
Das Kampfsystem ist ebenfalls intuitiver und doch spannend geworden. So drücken wir meistens keine aufblinkenden Tastenkombinationen mehr (Buttonmashing bei anstrengenden Tätigkeiten gibt es natürlich nach wie vor), sondern müssen die von Jodie gestartete und in Zeitlupe verlangsamte Bewegung mit dem rechten Stick zu Ende führen. Das ist einerseits intuitiv, andererseits enorm spannend, da man innerhalb von Sekundenbruchteilen die Bewegung erkennen und dementsprechend reagieren muss. Das ist nicht ganz so leicht, wenn sich kurz zuvor die Kameraeinstellung ändert.
Alle Wege führen nach Rom
Beyond ist in einer weiteren Hinsicht einzigartig; der Spieler kann nicht sterben. Selbst in scheinbar ausweglosen Situationen kommt uns Aiden zu Hilfe – und kann sogar unseren Suizid verhindern, sollten wir diesen versuchen. Das dient vor allem dazu, Frustmomente bei ungeübteren Spielern zu vermeiden. Warum wir uns trotzdem anstrengen sollten? Weil wir sonst einen erheblichen Teil des Spiels verpassen.
Wie schon erwähnt folgt das Spiel einem roten Faden. Ausgangsposition und Schluss sind also für alle Spieler gleich. Wie das trotzdem funktioniert, möchten wir anhand des gespielten Levels „Hunted“ erklären.
Jodie ist mit dem Zug auf der Flucht vor der Polizei, als diese an einer Haltestelle den Waggon betritt und die Ausweise der Passagiere kontrolliert.
Variante 1: Wir ergeben uns der Polizei. Wir werden verhaftet und in ein Abteil gesperrt. Aus diesem können wir entkommen, springen aus dem Zug, flüchten durch den Wald, retten uns auf eine Kletterwand, übernehmen die Kontrolle über einen Polizisten bei einer nahegelegenen Straßensperre, lassen ihn unmotiviert Gewehrsalven abgeben um die Kollegen abzulenken, nutzen die Verwirrung zur Flucht mit dem Motorrad und werden wenig weiter an einer Brücke vom FBI gestellt. Das steckt uns in einen Wagen, wir übernehmen die Kontrolle über einen weiteren Polizisten der den Fahrer erschießt. Der Wagen verunglückt und wir raunen dem verletzten Einsatzleiter zu, dass er diese Warnung ernst nehmen soll.
Variante 2: Wir flüchten vor der Polizei, werden beinahe geschnappt, entkommen durch die Toilette aufs Dach, flüchten durch den Wald. Wir werden an der Kletterwand gestellt, da wir uns nicht gut genug versteckt haben und werden verhaftet. Doch wir bringen mit Aiden einen Reifen des Wagens, in dem wir abtransportiert werden, zum Platzen, der Wagen verunglückt und wir raunen dem verletzten Einsatzleiter zu, dass er diese Warnung ernst nehmen soll.
Variante 3: Wir entkommen der Polizei durch ein Fenster über das Zugdach, kämpfen uns dort den Weg frei und ab durch den Wald. Wir steigen mit dem Polizisten an der Straßensperre in ein Auto ein und crashen es gegen die Leitplanke um die Kollegen abzulenken. Wir flüchten mit dem Motorrad und schaffen es an der Brücke mittels einer rechtzeitig aufgebaute Schutzbarriere durch die Straßensperre zu brechen. Wir erreichen eine kleine Stadt, verschanzen uns dort vor dem S.W.A.T.-Team in einem Kino, richten mit Aiden draußen allerhand Schaden an und lassen die Polizisten sich gegenseitig niederschießen, ehe wir einen Helikopter in eine Tankstelle manövrieren und sie zur Explosion bringen. Das Einsatzteam ist somit ausgeschaltet und wir raunen dem verletzten Einsatzleiter zu, dass er diese Warnung ernst nehmen soll.
Inwieweit der einzelne Spieler tatsächlich mitbekommen wird, welche Möglichkeiten er hat und was er verpasst, wird sich zeigen. War es bei Heavy Rain noch recht einfach, die Unterschiede im Vergleich zu Freunden herauszufinden und durch ein „wie hast du es geschafft, dass der überlebt“ den Drang zum Wiederspielen zu wecken, so sind diese bei unterschiedlichen Wegen aber demselben Ziel doch weit schwerer nachzuvollziehen. Gilt abzuwarten, wie gravierend sich Spielentscheidungen in anderen Abschnitten des Spiels auswirken. Im zweiten getesteten Level „Somalia“ konnten wir nur leicht nuancierte Unterschiede feststellen, die nicht wirklich ins Gewicht fielen.
Darum freuen wir uns:
Grafisch ist Beyond: Two Souls eine Wucht und wahrscheinlich das bestaussehendste Spiel, das man auf der PS3 noch zu Gesicht bekommen wird. Die Story und die Charaktere sind jetzt schon unheimlich interessant, das Spielgefühl wieder einmal einzigartig. Die Fülle an Möglichkeiten, eine Situation zu bewältigen, birgt einen großen Reiz. Das Kampfsystem überzeugt, die Schauspieler ebenso, der Score tut sein Übriges.
Da sind wir noch skeptisch:
In Kämpfen ist es meistens (doch auch nicht immer) vergleichsweise wichtig siegreich zu sein, auf der Flucht war es bisher egal. Testweise liefen wir im Zug gegen jedes Hindernis und im Wald gegen jeden Baum der sich uns in den Weg stellte. Unerheblich. Ebenso, dass wir einfach stehenblieben; die Polizei holte nicht auf. Selbiges mit dem Motorrad. Wir vernachlässigten dann sogar die Lenkung auf der kurvigen Straße. Ebenfalls egal, das Motorrad schlitterte unbeeindruckt und unbeschadet am Straßenland entlang.
Gerade für Casual-Gamer ist nicht scheitern zu können einerseits eine gute Sache - erfolgreichere Spieler mit mehr Inhalt zu belohnen (schließlich bekommen ungeschicktere Spieler z.B. eine ganze Stadt nicht zu Gesicht) prinzipiell auch. Ob sich Gamer aber nicht veräppelt vorkommen, wenn sie großteils ohne Aufwand dasselbe Ergebnis erzielen und das nicht ein bisschen den Kick aus den Fluchtszenen nimmt, bleibt abzuwarten. Wir gehen aber davon aus, dass man sich trotzdem alle Mühe geben wird. Schließlich weiß man nie, mit welcher fehlgeschlagenen Aktion man sich den weiteren Weg verbaut.
Beyond: Two Souls erscheint am 11. Oktober 2014 exklusiv für PlayStation 3.