Lootboxen, Mikrotransaktionen, In-Game-Währung - ich könnte noch unzählige weitere Dinge in Bezug auf Gaming-Trends aufzählen, die mittlerweile Wut in mir auslösen.
Vor allem die ältere Generation behauptet gerne: Früher war alles besser. Und ich muss dieser Aussage leider zustimmen – zumindest wenn ich darauf blicke, wie sich die Spiele-Industrie speziell in den letzten Jahren gewandelt hat.
Der Spieler steht schon lange nicht mehr im Vordergrund. Im Vordergrund steht nur noch der maximale Gewinn.
Gut, diesen Ansatz kann ich Unternehmen auch nur schwer übel nehmen. Dennoch: Firmen wie zum Beispiel Nintendo zeigten bis vor Kurzem mit Games à la The Legend of Zelda: Breath of the Wild, wie gute und saubere Spiele-Entwicklung geht. Immer mit dem Willen auf den Spieler zu hören und darauf aufbauend spaßige, vollständige Games herauszubringen.
Doch auch Nintendo geht immer mehr zur dunklen Seite der Macht über. Mit Super Mario Run und dem kürzlich erschienenen Mario Kart Tour betrat der Spiele-Gigant aus Japan auch das Smartphone-Gebiet. Doch er tat es nicht wie jeher mit Rücksichtnahme auf die Spieler, sondern mit Gewinn-Optimierung. Während es bei Super Mario Run noch genügte, für eine einmalige Summe alle Spiel-Welten freizuschalten, finde ich bei Mario Kart Tour nur noch einen mickrigen Hauch der Nintendo-Philosophie. Für ein monatliches Abo bekomme ich Rubine, mithilfe derer ich zufällige Gegenstände freischalten kann, die mir das Siegen vereinfachen sollen. Der Glücksspiel-Branche ist man hier nicht mehr weit entfernt. Nicht wenige wünschen sich deshalb das klassische „Nintendo“ zurück - mit der klassischen Firmen-Philosophie.
Ein Entwickler zeigt aber auch noch im Jahr 2019, dass nicht alles den Bach runtergeht: Das polnische Entwicklerstudio CD Project Red. Bekannt geworden durch die Witcher-Reihe arbeitet CD Projekt Red zurzeit am futuristischen Action-Rollenspiel Cyberpunk 2077, das im April 2020 erscheinen soll. Ich konnte mir bereits auf der Gamescom in Köln bei einem Pressetermin und vor wenigen Tagen im Rahmen eines Community-Events im Wiener Gartenbaukino ein Bild von Cyberpunk 2077 machen.
Es ist nicht nur das Game-Design an sich, das Cyberpunk 2077 auszeichnet. Nein, es ist der Gedanke dahinter. Nach dem Preview-Event im Gartenbaukino hatten alle Besucher die Gelegenheit, Lead Level Designer Miles Tost über „sein“ Spiel zu befragen.
Speziell eine Aussage von Miles stimmte mich dabei sehr glücklich. Als der gebürtige Deutsche nämlich darüber sprach, wie es das Studio schaffte, für das in Bälde erscheinende Spiel den weltbekannten Schauspieler Keanu Reeves an Bord zu holen, erklärte Miles: Keanu Reeves nimmt alle seine Projekte ernst. Dazu gehört natürlich auch das Einlesen in derzeitige Trends und Veränderungen der Branche. Also fragte der 55-Jährige die Vertreter des polnischen Entwicklerstudios: „...aber diese ganzen Dinge mit Lootboxen und Mikrotransaktionen macht ihr eh nicht, oder?“ In diesem Moment begann Miles laut eigener Aussage zu grinsen, da er wusste, dass sich Keanu hier an der richtigen Adresse befindet - denn CD Projekt Red möchte von manipulierender Gewinn-Optimierung nichts wissen.
Für CD Projekt Red steht auch im Jahr 2019 noch der Konsument (also der Gamer) im Vordergrund. Über 500 Mitarbeiter arbeiten tagtäglich an einer fiktionalen Welt, die den Spieler in seinen Bann ziehen soll – ohne dabei zu versuchen, den Spieler zu animieren, seine Geldbörse zu lockern.
Es ist äußerst lobenswert, dass ein Entwicklerstudio wie CD Projekt Red auch noch im Jahr 2019 diese Einstellung besitzt. Eventuell würde ich hier noch die Wolfenstein-Serie von Publisher Bethesda hervorheben. In meiner Review zu Wolfenstein II: The New Colossus aus dem Jahr 2017 erfreute ich mich der Tatsache, dass Wolfenstein speziell beim Gameplay auf den Spuren von älteren Games wandelt. Das Problem: Die Gesellschaft ändert sich. Und auch die Gamer-Szene ändert sich. Frei nach dem Motto: Wenn ich nur noch Spiele nach dem Schema A produziere, werden sich die Spieler mit der Zeit daran gewöhnen.
Gerade deshalb sollte es eigentlich nur logisch sein, Entwicklerstudios wie CD Projekt Red zu unterstützen. Und nach dem Erfolg von The Witcher 3: Wild Hunt mache ich mir auch überhaupt keine Sorgen, dass Cyberpunk 2077 nicht zu einem Kassenschlager wird. Auch hier geht es aber nicht nur um das Spiel an sich, sondern um das ganze Drumherum. An dieser Stelle möchte ich den damaligen Brief der Entwickler, beigelegt zu jedem The Witcher 3-Exemplar, anfügen:
Der damalige Dankesbrief
„Lieber Spieler, wir möchten uns herzlich für deine Unterstützung bedanken. Wir wissen es zu schätzen, dass du beschlossen hast, dein hart verdientes Geld für unser Spiel auszugeben, und wünschen dir viel Vergnügen beim Spielen. Wir haben in den letzten drei Jahren mit über 200 Kollegen an The Witcher 3: Wild Hunt gearbeitet und es ist uns bei aller Bescheidenheit eine große Freude, das Spiel präsentieren zu können.
Wir von CD PROJEKT RED sind der Ansicht, dass der Kauf unseres Spiels zu fortdauerndem konstenlosem Support, Updates, Patches und tollen neuen Inhalten berechtigt. Das schulden wir den Spielern, die an uns glauben und unser Spiel erwerben. Zum Dank haben wir etwas Besonderes vorbereitet: 16 DLCs zum Herunterladen, ganz und gar kostenlos, für alle Spielversionen und Plattformen.
Wir danken dir für deine Unterstützung und wünschen dir ein wunderschönes Rollenspielerlebnis der nächsten Generation!“
CD Projekt Red zeigt eindrucksvoll wie es auch anders geht. Nämlich wirtschaftlich erfolgreich zu sein, ohne dabei den Spieler zu vergessen. Und der Erfolg gab ihnen Recht: Über 20 Millionen Exemplare wurden Stand heute verkauft. Das Einzige, was die Entwickler dafür tun mussten, war ein gutes Spiel zu entwickeln und dabei stets auf den Konsumenten zu hören.
Im Herzen sind wir nämlich alle noch immer dieselben Gamer wie früher. Wir mussten uns nur mit Trends abfinden, die wir so nicht wollten. Uns blieb nicht viel übrig. Mit CD Projekt Red werden wir aber (hoffentlich) immer richtig fahren.
Dem polnischen Entwicklerstudio gönne und wünsche ich daher für Cyberpunk 2077 und alle darüber hinaus produzierten Spielen den größtmöglichen Erfolg. Er soll als Zeichen für eine ganze Branche stehen, die vom richtigen Weg abgekommen ist und diesen erst wiederfinden muss.
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