Ist die Zeit der schwachen Filmumsetzungen im Videospielebereich vorbei? Wir haben auf der Gamescom ein paar Hoffnungsträger angespielt.
Blair Witch
Ein Fehler, dessen sich Bloober Team, die Entwickler von Blair Witch, durchaus bewusst sind. Und daher achten sie in ihrer Umsetzung des 90er-Jahre-Horror-Klassikers besonders darauf, dass das Spiel zwar die Atmosphäre des Ausgangsmaterials transportiert und wiedererkennbare Elemente bietet, diese aber so ins Spiel integriert werden, dass ganz eigene Mechaniken daraus entstehen.
Den obligatorischen Camcorder nutzen wir beispielsweise nicht nur, um über die Nachtsichtfunktion verborgene Spuren sichtbar zu machen, sondern für ganz spezielle Rätsel. Finden wir Videokassetten und spielen diese auf unserer Videokamera ab, sehen wir darauf nicht nur Hinweise, sondern beeinflussen damit auch die Realität.
Wenn wir zum Beispiel vor einer verschlossenen Tür stehen und das Video an einer Stelle pausieren, an der diese Tür offen ist, so ist sie das dann auch in der Spielwelt.
Geschossen wird in Blair Witch grundsätzlich nicht. Unsere wirksamste Waffe ist die Taschenlampe, mit der wir uns, ganz im Stile von Alan Wake, fiese Gestalten vom Hals halten. Natürlich ist die Taschenlampe nicht davor gefeit, horrorfilmtypisch zu flimmern, flackern oder ganz auszugehen.
„Bullet” gibt es im Spiel aber trotzdem – denn das ist der Name unseres hündischen Begleiters, der uns den Großteil des Spiels über treu zur Seite steht. Und er fungiert nicht nur als seelischer Beistand, um uns bei der Suche nach einem vermissten Kind nicht ganz so einsam zu fühlen, sondern gibt auch einen super Spürhund ab. Wenn wir gerade nicht weiterwissen, schicken wir Bullet auf die Suche nach Spuren oder Gegenständen, die er uns teilweise auch gleich freudig apportiert.
Auch sonst zahlt es sich aus, seinen vierbeinigen Begleiter im Auge zu behalten, denn sein Spürsinn warnt nicht selten vor Gefahren, die wir sonst nicht wahrgenommen hätten.
Mit Layers of Fear haben die Polen jedenfalls schon unter Beweis gestellt, dass sie Grusel beherrschen. Wir sind also guter Hoffnung. Schon am 30. August geht es in den Horror-Wald.
John Wick Hex
Die Spieleumsetzung zur wohl innovativsten Action-Reihe der letzten Jahre kann doch nur ein ebenso wilder Action-Shooter werden? Weit gefehlt.
Was der britische Entwickler Bithell Games hier gepitcht hat, ist wohl eher eine ungewöhnliche Herangehensweise an diese Action-IP. Der Grund dafür leuchtet aber durchaus ein.
Wer John Wick gesehen hat, weiß, dass der ehemalige Auftragskiller nicht einfach wild durch die Gegend ballert, sondern jede seiner Bewegungen genau auf Gegner und Umgebung abstimmt. Eine Vorgehensweise, der ein hektischer Shooter vermutlich nicht wirklich Rechnung tragen könnte. Genau genommen ist der Ansatz, der in John Wick Hex verfolgt wird, eigentlich gar nicht so abwegig, wie er zuerst klingen mag.
Schritt für Schritt planen wir auf einem Hexfeld also unseren Weg durch das Level. Dabei müssen wir allerdings nicht zu zaghaft vorgehen, denn sobald ein Gegner aus dem „Fog of War” auftaucht, wird das Spiel ohnehin pausiert. Nun gilt es, das weitere Vorgehen genau zu planen. Gerade wenn uns mehrere Gegner aus unterschiedlichen Richtungen beharken, ist da jeder kleine Schritt essentiell.
Zeit ist der wichtigste Faktor in John Wick Hex. Aber keine Sorge, sie stellt nur eine andere Einheit für „Züge” dar. Jede Aktion benötigt also eine gewisse Zeit. Zwar überlegen die Entwickler, für einen höheren Schwierigkeitsgrad eine Art Schach-Uhr einzubauen, auf dem normalen Schwierigkeitsgrad ist der Spielablauf aber komplett Zeitunabhängig. Ein bisschen wie Schach eben, nur ohne die Uhr.
Sobald Gegner also sichtbar sind, wird unsere Zeitleiste um die der Gegner erweitert. Das ist für die Vorausplanung der nächsten Schritte essentiell, denn auch zukünftige Ereignisse werden darin abgebildet. So können wir abchecken, ob unser Schuss noch vor dem des Gegners bricht, oder ob wir zuerst dafür sorgen sollten, dass wir uns aus dem Schussfeld begeben, um dann aus neuer Position, die uns einen taktischen Vorteil bietet, eine Kugel in den Gegner zu jagen.
Oft ist es jedoch sinnvoller, die Waffe stecken zu lassen. Nicht nur, dass sich John Wick Hex den gebotenen Videospiel-Konventionen verwehrt und ganze Magazine statt einzelner Patronen nachlädt.
Beim Nachladen werden noch im Magazin befindliche Kugeln also ebenfalls mitentsorgt. Auch ist es oft nicht nötig, wertvolle Munition zu verschwenden, wenn Gegner zum Beispiel selbst nicht bewaffnet sind.
Manchmal ist es aber auch der Zeitdruck. Bis wir einen Schuss angebracht haben, vergehen wertvolle Sekunden. Befindet sich der Widersacher in Nahkampfweite, ist ein Takedown, bei dem wir den Gegner über unsere Schulter werfen, oft sinnvoller. Fehlt auch dazu die Zeit, können wir den Gegner erst einmal von uns stoßen, um wertvolle Sekundenbruchteile zu gewinnen.
Ist er dafür noch zu weit entfernt, können wir ihm aber auch einfach unsere Waffe ins Gesicht werfen. Das sollte aber nur der letzte Ausweg sein, denn John Wick kann nur eine Waffe gleichzeitig tragen. Eine Waffe, die wir wegwerfen, ist also eine Waffe, die wir nicht mehr zur Verfügung haben, bis wir sie wieder aufheben.
Neben der Zeit ist auch unsere Ausdauer, unser Fokus, ein essentieller Faktor. Während Ducken und Rollen zwar deutlich die Wahrscheinlichkeit verringert, getroffen zu werden, wird damit aber auch mehr Fokus verbraucht. Diesen können wir zwar auf Knopfdruck wieder aufladen, das dauert aber wieder einige Sekunden. Sekunden, die wir im Kampf oft nicht haben.
So gilt es also auch, unser Bewegungsmuster genau in die Planung miteinzubeziehen. Muss ich gerade wirklich rollen, oder reicht es, mich stehend hinter eine Deckung zu begeben? Laufe ich auf den Gegner zu, oder bringe ich mich zuerst in Sicherheit? Ist der nächste Gegner tatsächlich der gefährlichste, oder kümmere ich mich doch zuerst um einen anderen?
Cool: Am Ende jedes Abschnitts wird die ganze Action von Anfang an noch einmal als Film in Echtzeit dargestellt. Zeigen wollten uns das die Entwickler aber noch nicht. Sie arbeiten noch an den zahlreichen Kameraeinstellungen und wollen das Feature erst präsentieren, wenn es wirklich komplett fertig ist.
Nichtsdestotrotz sind unsere Hoffnungen bereits groß. Der gezeichnete Stil, der Hinweis auf die Comic-Herkunft John Wicks ist, ist stimmig und das Demolevel, in dem wir uns durch Chinatown gekämpft haben, hat schon sehr viel Spaß gemacht.
Und so hat John Wick Hex tatsächlich das Potential, zu einem Titel zu werden, den man zum Entspannen noch kurz vor dem Schlafengehen spielen kann. Ganz ohne dabei auf die Action verzichten zu müssen.
Wann genau es soweit ist, steht noch nicht fest.
Marvels Avengers
Deutlich konventioneller geht es in Square Enix' Umsetzung der Avengers-Reihe zu. Zwar standen die Schauspieler der Filme nicht Pate für das Aussehen der Charaktere, diese sind aber deutlich an ihre Celluloid-Kollegen angelehnt.
Auch inszenatorisch sind keine großen Unterschiede auszumachen. In den zahlreichen Zwischensequenzen kracht es, zwischendurch wird immer mal ein lockerer Spruch rausgehaut und etliche Skriptsequenzen werden in Quicktime-Events abgehandelt.
Das restliche Geplänkel spielt sich in etwa wie die Arkham-Reihe, auch wenn sich die Kämpfe nicht ganz so flüssig und präzise anfühlen. Mitschuld ist sicher auch der technische Fortschritt des Titels. Ein bisschen ruckelt und zuckelt es dann doch noch, die Effekte dürften doch ein wenig an der Konsolenhardware zehren. Bis zum Release im Mai ist aber durchaus noch Zeit das auszubügeln.
Aufgeteilt wird das Spiel in einzeln anwählbare Episoden sein. Diese sind entweder storyrelevante Einzelmissionen, die mit vorbestimmten Charakteren zu bewältigen sind, oder aber Schlachtfelder, die wir online gemeinsam mit unseren Freunden unsicher machen können. Um für optische Abwechslung zu sorgen, stehen für jeden spielbaren Charakter dutzende Outfits zur Verfügung, die auf den großen Fundus aus Filmen und Comics zurückgreifen.
Die Helden können aber nicht nur in feinem Zwirn gehüllt werden, es kommt ja schließlich auch auf die inneren Werte an. Umfangreiche Skilltrees sorgen dafür, dass auch daran gearbeitet werden kann.
In der Gamescom-Demo konnten wir bereits als Iron Man, Thor, Captain America, Hulk und Black Widdow in den Kampf ziehen. Wie es sich gehört spielen sich die Helden erfreulich unterschiedlich. Während Black Widdow eher die feine Klinge führt, zerstört Hulk einfach alles, was ihm vor die grünen Pranken kommt. Iron Man operiert auch aus dem Luftraum und Cap gibt den Schergen seinen Schild zu spüren.
Vor allem die Möglichkeit des Multiplayers ist es, die unsere Vorfreude auf den Titel anheizt. In etwas mehr als einem halben Jahr können wir unseren Freunden dann hoffentlich übers Headset zurufen: Avengers, versammelt euch!
Ravensburger Gewinnspiel 6/2023