Krimidinner-Spiele für zuhause sind weiterhin äußerst beliebt, besonders zu Weihnachten, Silvester und Ostern. Neulich lernte ich Richard Bardl vom Cocolino Spieleverlag kennen und es entwickelte sich ein spannendes Gespräch über Krimidinner, Rollenspiele und was es mit sich bringt, einen Spieleverlag zu führen. Das Interview möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten, viel Spaß beim Lesen.
Spieletest.at: Wie kommt man dazu, einen eigenen Verlag zu gründen?
Als langjähriger Krimidinner-Enthusiast kenne ich mich in der Welt der Krimidinner gut aus und habe mich nach einem schönen Krimidinner-Abend gefragt, warum Krimis heutzutage digital als Ebooks gelesen, Krimidinner aber weiterhin als analoge Spieleboxen gekauft werden. Wir sahen die Lücke und wollten sie gern füllen.
Tatsächlich wurde uns beim Probespielen schnell klar, dass Kindls, Handys und Tablets bei einem Krimidinner-Abend der Stimmung nicht gerade zuträglich sind. Allerdings wollten wir den Vorteil, online die Spiele zu verkaufen nicht aufgeben und entschieden uns, die Spiele als pdf-Dateien zu verkaufen, damit sie jeder sich selber zu Hause ausdrucken kann, ohne in ein Geschäft gehen zu müssen.
Ich holte eine Freundin ins Boot und wir wagten den ersten Schritt, Krimidinner online zu verkaufen.
Spieletest.at: Worauf bist du besonders stolz?
Wir konnten im letzten Jahr zwei „Krimidinner Partys” veröffentlichen, ein Format, welches es erlaubt, Krimidinner mit bis zu 20 Personen zu spielen. Ein absolutes Novum und toll für Weihnachtsfeiern, Teambuilding Events oder auch große Geburtstagsfeiern.
Spieletest.at: Wie funktioniert eine solche Krimidinner Party?
Es dauerte lange, das Konzept zu entwickeln und nach vielen Probespielen hatten wir es aber raus: Krimidinner Partys finden nicht mehr an einem Tisch, in einem Gesprächskreis statt. Vielmehr löst sich dieser Gesprächskreis auf und jede Person muss im Laufe des Spiels verschiedene Aufgaben erfüllen. Es wird in kleinen Gruppen heimlich getuschelt, es werden kurze Reden gehalten oder eine Person erhält die Aufgabe, eine andere Person möglichst oft anzurempeln. Viele kleine Running-Gags schaffen eine heitere Atmosphäre, das Verkleiden und das Ambiente sind sehr wichtig.
Spieletest.at: Also mehr Party und weniger Story?
Die Story ist immer noch der Kern des Spiels! Aber sie tritt etwas zurück hinter der Freude, einen kurzweiligen Abend miteinander zu verbringen. Eingefleischte Detektive finden genügend Substanz zum Rätseln, aber man muss kein Krimidinner-Nerd sein, um Freude an den Spielen zu haben.
Spieletest.at: Und die Krimidinner, wie wir sie kennen?
Die sind natürlich unser wichtigstes Standbein und ganz klassisch aufgebaut. Es gibt mehrere Ermittlungsrunden, einen Mörder, der gefasst werden muss und ringsherum jede Menge Motive, Nebenschauplätze und eine packende Story.
Spieletest.at: Habt ihr noch weitere Standbeine?
Mit Hilfe einer Illustratorin haben wir mehrere Schatzsuchen für Kinder veröffentlicht, wobei das Konzept sich sehr ähnelt: Online als pdf kaufen und dann selber ausdrucken. Wir haben sechs verschiedene Schatzsuchen und jede davon für diverse Altersgruppen, von Prinzessinnen über Piraten zu Indianern und Zauberschülern. Diese sind mit viel Liebe illustriert und gestaltet und eignen sich perfekt für Geburtstagsfeiern und andere Anlässe.
Spieletest.at: Berlin ist die Stadt der Start-Ups, der Traum, eine Firma schnell groß zu machen, ist allgegenwärtig. Wie steht ihr dazu?
Die Start-up Mentalität machte tatsächlich auch nicht vor unserer kleinen Firma halt. Natürlich sind wir kein Finanz-Unternehmen, entwickeln keine App oder bauen ein digitales Imperium auf. Doch auch wir haben uns auf einem Bierdeckel überlegt, wie viel mehr Personen wir erreichen und wie viel mehr Spiele wir verkaufen können, wenn wir statt der 100 Millionen potentielle deutschsprechenden Kunden auch noch Spiele an die Franzosen, die Holländer und die Spanier verkaufen würden. Die Chinesen haben wir klugerweise erst einmal rausgelassen, aber wir haben mit den Übersetzungen auch so eine Bruchlandung erlebt.
Spieletest.at: Was genau?
Es ergaben sich viele Millionen kleiner Probleme, vor allem bei der Bürokratie und den Übersetzungen. Unser Französisch-Übersetzer hat viel Geld für eine google-translator Übersetzung erhalten, deren furchtbares Niveau wir erst zu spät erkannt haben. Der holländische Übersetzer hatte haarsträubende Fehler eingebaut: Beispielsweise wurde „Schatzsuchen ausdrucken” mit „speuretocht afrukken” übersetzt. Wer nicht weiß, was „afrukken” bedeutet, kann gern recherchieren. Richtig hätte es „afdrukken” heißen müssen. Aber ein vergessenes „d” kann so manchem Wort den Sinn verkehren. Kein Wunder, dass kein einziger Holländer bei uns einkaufte.
Im Endeffekt haben wir das Projekt Internationalisierung beerdigt und konzentrieren uns wieder voll auf unsere deutschsprechenden Kunden.
Spieletest.at: Ist es viel Arbeit, einen eigenen Verlag zu führen?
Leider ja, Deutschland ist ein Land der Bürokratie und am Ende des Jahres warten Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Umsatzsteuererklärung auf denjenigen, der eigentlich nur Krimidinner verkaufen wollte. Natürlich haben wir verschiedene Autoren und Autorinnen, Angestellte für Social Media und so weiter. Alleine ließe sich das gar nicht alles bewältigen.
Spieletest.at: Sucht ihr noch weitere Autoren?
Sehr gern würden wir weitere Krimidinner veröffentlichen, besonders für Kinder und Familien, auch Exit-Games würden perfekt in unser Portfolio passen. Talentierte Autoren zu finden ist jedoch nicht leicht. Außerdem möchten wir unsere Spiele alle ähnlich gestalten, damit unsere Kundinnen und Kunden die gleichen oder zumindest sehr ähnliche Spielregeln erwarten. Darauf müssen sich natürlich die Autorinnen auch einstellen wollen. Ein Herzensprojekt ist es, eine Chemie-Schnitzeljagd zu erstellen. Ich selber bin naturwissenschaftlich begeistert und kenne viele verblüffende chemische Experimente, die sich in der eigenen Küche umsetzen lassen. Ich glaube nicht, dass diese Schnitzeljagd ein Verkaufsschlager würde, ich würde sie eher für mich selber schreiben …
Spieletest.at: Woher kommen die Ideen?
Tatsächlich aus dem wahren Leben, das ist schließlich verrückt genug! Eine unserer Krimidinner-Geschichten basiert beispielsweise auf einer Theaterveranstaltung eines Freundes in Griechenland. Er hielt dort eine Performance ab, bei der er sich einen Zugang legte und anschließend das eigene Blut trank. Wir haben lange diskutiert, ob das wirklich noch Kunst ist oder einfach ekelhaft. Die Athener Bildzeitung jedenfalls hat unserem Freund einen einseitigen Artikel gewidmet, ihn als Schlächter aus Deutschland tituliert und konnte das künstlerische Element der Performance augenscheinlich nicht erkennen. Die Frage nach der Kunst, und was Kunst darf, wird in dem Krimidinner natürlich aufgegriffen und im Spiel thematisiert.
Außerdem geben wir gern kleine Hommagen in unseren Krimidinnern. Das Valle dei Templi in Berlin-Wedding, in dem es wagenradgroße Pizzen und inspirierenden Rotwein zu günstigen Preisen gibt, habe ich regelmäßig besucht und schon zweimal meinen Geburtstag dort gefeiert. Für unser Krimidinner „Sizilianische Gepflogenheiten” haben wir das Restaurant einfach in Mafiahochburg Corleone in Sizilien verlegt und die Hauptfigur Maria Dutto ihren Geburtstag dort feiern lassen.
Spieletest.at: Und dann klopfte die sizilianische Mafia an die Tür und verlangte Schutzgeld?
Nein, nein, zum Glück nicht! Die Bandbreite der Spam-Mails hat sich durch die Verlagsgründung deutlich erweitert, statt Libido-Medikamenten und Werbung zur Verlängerung gewisser Körperteile wollen jetzt täglich fleißige Menschen unsere Website bauen und uns Firmenadressen im Tausenderpaket verkaufen. Davon abgesehen ist es friedlich geblieben, unsere Kriminalgeschichten finden bis jetzt nur im Kopf statt.
Spieletest.at: Welche Krimidinner sind bisher im Cocolino Spieleverlag erschienen?
Bisher haben wir 4 Krimidinner (4-10 Personen) und 2 Krimidinner Partys (11-20 Personen) veröffentlicht:
Unser Stolz sind die Krimidinner Partys „Bohème Berlin” und „Sizilianische Gepflogenheiten”. Aber auch die Krimidinner für weniger Personen werden gern gespielt:
Bei „Ein letztes Spiel” dreht sich alles um Pokerchips und Sonnenbrillen, „Das Geschenk des Todes” handelt von einem leicht verrückten Erotikunternehmer und bei „Der Mord von Kloster Wattenbeek” tauchen die Spieler in die Welt eines Nonnenklosters ein.
Unser neustes Krimidinner heißt „Das 13. Testament des Herrn Buchholz”. Wir haben uns dem klassischen Thema der Erbschaftsstreitigkeiten eimal anders genähert. Kein Krebs, keine Krankheiten, sondern ein alter kauziger Herr, ein Hypochonder wie er im Buche steht. In steter Angst, sein Erbe an den Falschen zu geben, schreibt er sein Testament immer wieder um, bis er schließlich selber umgelegt wird. Wer wissen will, wann die Schneekugel ins Spiel kommt und was sie mit Herrn Buchholz zu tun hat, der muss das Krimidinner aber selber spielen.
Spieletest.at: Gibt es weitere Projekte?
Wir sind gerade dabei, für Firmenevents und Geburtstagsfeiern individuelle Schnitzeljagden zu erstellen – ein spannender Auftrag, etwas abseits unserer eigentlichen Tätigkeiten, den wir aber auch gern übernehmen. Wir werden sehen, wo das hinführt, vielleicht werden wir bald auch eine Event-Agentur gründen.
Spieletest.at: Danke für das Interview.
Danke auch. Sehr gern!