Orléans

Nach so großartigen Spielen wie Bangkok Klongs, Siberia oder Citrus schien eine Steigerung ja kaum noch möglich, doch mit Orléans legt Reiner Stockhausen und sein Verlag dlp games die eigene Latte der Erwartungen für zukünftige Spiele erneut um einiges höher. Mit deutlich mehr Material als alle anderen Spiele des Verlages ist Orléans auch von der Spielschachtel her ein Schwergewicht.

Wir befinden uns im mittelalterlichen Frankreich in der Gegend von Orléans und der Loire. Jeder Spieler versucht seine Vormachtstellung auszubauen und sollte dabei auch das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verlieren. Über verschiedene Aktionsmöglichkeiten wie Handel, Warenproduktion, Entwicklung und Wissenschaft können Siegpunkte generiert werden.

Angelehnt an Siberia werden Aktionen durch Personenplättchen ausgelöst, die vorher aus einem eigenen Stoffbeutel gezogen werden. Zu Spielbeginn steht jedem Spieler eine mit der eigenen Spielerfarbe markierte Gefolgschaft zur Verfügung, die auf dem eigenen Spielertableau vorgehalten wird. Von hier aus können diese dann eingesetzt werden, um Orte auf dem Tableau zu besuchen und damit die verschiedensten Aktionen auszulösen.

Orléans ist phasenbasiert aufgebaut und verläuft über genau 18 Runden. Jede Runde besteht aus sieben Phasen, die teilweise durch alle Spieler gleichzeitig ausgeführt werden.

Phase 1: Stundenglas
Zu Beginn einer Runde wird immer zuerst das oberste Plättchen vom Stundenglasstapel aufgedeckt. Mit Ausnahme der Wallfahrt, die das Anwerben von Mönchen verbietet, treten die offenbarten Ereignisse dann in Phase 6 ein.

Phase 2: Volkszählung
Wer hier als alleiniger Spieler die meisten Bauern sein Eigen nennt, erhält eine Münze zur Belohnung. Wer hinten liegt, bezahlt entsprechend.

Phase 3: Gefolgsleute
Über die Ritterleiste wird bestimmt, wie viele Personenplättchen jeder Spieler aus seinem eigenen Beutel ziehen und auf dem Markt seines Tableaus ablegen darf.

Phase 4: Planung
Alle Spieler setzen nun ihre zur Verfügung stehenden Personen auf die Aktionsfelder der Orte. Jeder Ort erfordert die Mitwirkung mehrerer unterschiedlicher Personen. Lediglich einige errichtete Zusatzorte benötigen keine oder nur eine Person zur Aktivierung. Erst wenn alle Aktionsfelder eines Ortes komplett belegt sind, kann die entsprechende Aktion in der nachfolgenden Phase ausgeführt werden.

Phase 5: Aktionen
Beginnend beim Startspieler führen alle Spieler reihum immer nur eine Aktion eines aktivierten Ortes aus. Wer passt, kann in dieser Phase nicht mehr aktiv werden. Die eingesetzten Gefolgsleute einer ausgeführten Aktion werden sofort wieder zurück in den eigenen Beutel gelegt und stehen in der folgenden Runde wieder zur Verfügung.

Phase 6: Ereignis
Das in Phase 1 offenbarte Ereignis des Stundenglas-Plättchens wird abgehandelt. Hierbei überwiegen die negativen Dinge, die vom Anwerbeverbot von Mönchen, Steuerzahlung und Abgabe von Nahrung bis zur Pest reichen. Geld gibt es lediglich am Handelstag und für den erreichten Entwicklungsstand.

Phase 7: Wechsel
Der Startspielerstein wechselt an den linken Nachbarn.

Da nun mal die Aktionen den eigentlichen Kern von Orléans ausmachen, möchte ich hier kurz abhandeln, was die Spieler so alles tun können, um am Ende die meisten Siegpunkte zu bekommen. Für zusätzliche Personen stehen Bauernhaus, Dorf, Universität, Burg und Kloster zur Auswahl. Diese anzuwerbenden Personen liegen in Form von Plättchen auf dem Hauptplan in entsprechenden Leisten bereit und bieten neben der Erweiterung der eigenen Gefolgschaft zusätzliche Vorteile. Wer eine Person anwirbt, bewegt den eigenen Markierungsstein vorwärts. So beeinflusst das Bauernhaus mit dem Voranrücken des eigenen Markierungssteins die Volkszählung. Im Dorf bringen Schiffer Einkommen, Handwerker die begehrten Technikplättchen und Händler erweitern das eigene Tableau mit zusätzlichen Ortskarten, die ausschließlich von seinem Besitzer genutzt werden dürfen. Technikplättchen nehmen auf dem Spielertableau dauerhaft die Stelle von Personen ein und erleichtern somit das Erfüllen von Bedingungen für die Aktionen. Auch dieses spielerische Element kennen wir aus Siberia und kam dort als Investitionsplättchen vor. Die Gelehrten der Universität sorgen für Entwicklungspunkte der entsprechenden Leiste und damit für Einkommen und Siegpunkte. In der Burg werden Ritter angeworben, die zusätzlich für das Ziehen der Personen aus dem Beutel verantwortlich sind. Die im Kloster angeworbenen Mönche bringen keinen zusätzlichen Bonus, dienen fortan aber quasi als Joker, weil sie jede Person ersetzen können.

Wer seine Händlerfigur auf dem Hauptplan bewegen möchte, kann dies mit Aktivierung von Schiff und Wagen machen und setzt seine Figur entsprechend auf die nächste Stadt. Ein ausliegendes Warenplättchen wird vereinnahmt und bringt am Ende des Spiels je nach Wertigkeit Siegpunkte. Mit der Aktion Gildenhaus kann ein Spieler ein Kontor in der Stadt bauen, in der seine Händlerfigur steht. Da in jeder Stadt mit Ausnahme von Orléans nur ein Kontor stehen darf, ist hier Schnelligkeit gefragt. Im Scriptorium schließlich erhält man einen Entwicklungspunkt.

Wer seine gesammelte Gefolgschaft etwas ausdünnen und zusätzlich etwas für seine Siegpunkte tun möchte, der schickt Personen ins Rathaus. Von hier aus werden sie zu den „segensreichen Werken“ entsendet und bringen Belohnungen in Form von Münzen oder Entwicklungspunkten. Wer ein segensreiches Werk abschließt, erhält zusätzlich ein Bürgerplättchen.

Bürgerplättchen sind übrigens rar gesät und nur auf der Entwicklungsleiste und den Leisten für Schiffer und Ritter erhältlich. Sie dienen bei Spielende als Multiplikator und sollten demnach nicht vernachlässigt werden. Nach 18 Runden ist Schluss und die Endwertung bestimmt über Sieg und Niederlage. Wer jetzt die meisten Kontore gebaut hat, bekommt das letzte Bürgerplättchen. Jeder Spieler addiert seine gewonnenen Bürgerplättchen mit den eigenen Kontoren und multipliziert diese dann mit dem erreichten Entwicklungsstand. Jede Münze bringt noch jeweils einen Punkt. Die Warenplättchen in der Reihenfolge Brokat, Wolle, Wein, Käse und Getreide werden mit Werten zwischen fünf und einem Punkt gewertet. Wer die meisten Punkte auf sich vereinen konnte, gewinnt.


Spieletester

01.03.2015

Fazit

Wer sich anfangs vom Umfang der Möglichkeiten erschlagen fühlt, der wird spätestens nach zwei bis drei Runden feststellen, dass alles in Orléans wunderbar ineinandergreift und schnell verinnerlicht ist. Durch eindeutige Kennzeichnungen ist für jeden sofort klar, welche Personen er wo einsetzen kann und welche Vorteile er dadurch hat. Das Zusammenstellen der eigenen Gefolgschaft geht einfach und schnell von der Hand, allerdings birgt das Nachziehen aus dem Beutel gewisse Unwägbarkeiten in der nachfolgenden Einsetzphase. Wer sich beim “Bag-Building“ zu sehr aufbläht, geht ein höheres Risiko ein, die falschen Plättchen zu ziehen. Da gilt es schon frühzeitig, den eigenen Beutel durch Entsendung von Personen ins Rathaus und weiter zu den segensreichen Werken zu entschlacken. Zu Beginn, wenn nur wenige Personenplättchen zur Verfügung stehen, ist eine Runde ziemlich schnell abgehandelt. Mit fortschreitender Spieldauer wird das Ganze dann schon langatmiger, was auch mit den Ortskarten zu tun hat, die auch erst einmal verinnerlicht sein müssen. Die vielen machbaren Einsetzmöglichkeiten verleiten dazu, dass man immer mehr machen möchte, als man kann und darf. Dafür gibt es aber auch viele Wege, die zum Ziel führen. Orléans ist ein Highlight der SPIEL 2014 und fand in meinen Spielgruppen viele begeisterte Anhänger. Das Material ist von guter Qualität, wenn auch die Personenplättchen ein wenig fisselig erscheinen, aber ihren Zweck erfüllen. Und dass Reiner Stockhausen ein Ohr für die Kritik der Spieler hat, zeigt seine überaus schnelle Antwort auf die gefühlte Übermächtigkeit der Ortskarte „Badehaus“. Auf der Verlagsseite wurden bereits Vorschläge zur Abschwächung veröffentlicht. Was bleibt ist ein überaus schmackhafter Leckerbissen für Strategiespieler, die sich gut unterhalten fühlen und mit dem „Bag-Building“ ein interessantes neues Spielelement vorfinden.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 50,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2014
Verlag: dlp games
Grafiker: Klemens Franz
Genre: Glück
Zubehör:

1 großer Spielplan 1 kleiner Spielplan (Segensreiche Werke) 4 Spielertableaus 4 Stoffsäckchen (Gefolgsleutebeutel) 4 Händlerfiguren 40 Kontore 28 Holzwürfel 104 Personenplättchen 90 Waren – 24 x Getreide – 21 x Käse – 18 x Wein – 15 x Wolle – 12 x Brokat 16 Technik-Plättchen 14 Bürger-Plättchen 47 Münzen 20 Ortskarten 18 Stundenglaskarten 2 Übersichtskarten 1 Startspielerplättchen 1 Spielregel

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