Robinson Crusoe - Abenteuer auf der verfluchten Insel

Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe zählt unbestritten zur Weltliteratur und die Geschichte vom auf einer einsamen Insel unglücklich gestrandeten Seemann, der viele Jahre lang auf Rettung warten muss, kennt wohl heute noch jede/r Jugendliche. Diesem Buch liegt eine wahre Begebenheit zugrunde: Nachdem sich im Jahr 1704 der schottische Segelmeister Alexander Selkirk mit seinem Schiffskapitän über den Zustand des Schiffes zerstritten hatte, setzte dieser ihn kurzerhand auf der westlich von Chile gelegenen Pazifikinsel Isla Mas a Tierra aus. Viereinhalb Jahre sollte es dauern, bis Selkirk aus einem Leben in völliger Einsamkeit gerettet wurde.
Ein entbehrungsreiches und gefährliches Leben, das niemand von uns gerne mit Selkirk hätte teilen wollen. Lassen sich dessen Abenteuer jedoch auf einem Spielbrett nacherleben, bietet das ein unzweifelhaft spannendes Erlebnis für Jung und Alt.
Das Spielmaterial
Gleich an dieser Stelle ein sehr großes Kompliment der Strukturierung des Regelwerkes! Mehr kann man sich an Übersichtlichkeit und Funktionalität weder wünschen noch vorstellen. Auch die Spielhilfen, die teilweise in das Regelheft integriert und teilweise auf Karten ausgelagert wurden, sich aber hauptsächlich auf dem wunderbar ausgestalteten Hauptspielplan finden, sind den Spielern stets ein sicherer Wegbegleiter auf ihren Erkundungszügen durch die anfangs unvertraute Inselwelt.

Die Vielfalt an Karten, Markern, Würfeln und Plättchen (siehe die umfangreiche Liste zum Spielzubehör im linken Bereich dieser Besprechung) wirkt anfangs erdrückend. Diesbezüglich gibt es jedoch keinen Grund zur Beunruhigung: Das ausnahmslos hochwertige Material findet rasch seinen auf den Feldern des Spielplanes vorgegebenen Platz. Lobend erwähnt sei auch, dass für die bis zu vier gestrandeten Charaktere (Koch, Zimmermann, Forscher und Soldat) sowohl eine männliche als auch eine weibliche Variante zur Auswahl bereitgestellt wird.

Die Insel
Rund ein Drittel des großen Spielbrettes widmet sich der Abbildung der Insel, auf der die armen Seelen stranden und ums Überleben kämpfen werden. Diese Fläche ist in zehn neutrale Hexagonal-Felder unterteilt, auf der im Grundspiel anfangs nur das Startfeld – ein Küstenstreifen – ausgelegt wird. Dies ist der Standort der Spieler, die sich im weiteren Spielverlauf weiter in das Innere der Inselwelt vorwagen werden. So werden nach und nach Inselteile (die anfangs in einem verdeckten Stapel liegen) aufgedeckt und offen an die schon ausliegenden angefügt. Die auf diesen Inselfeldern abgebildeten Symbole zeigen den Landschaftstyp und erlauben den Spielern, dort Holz oder Nahrung zu sammeln, auf die Jagd zu gehen, Entdeckungsplättchen zu ziehen und sorgen auch für andere Szenarien-spezifische Auswirkungen.

Ein entbehrungsreiches Dasein
Das Spiel läuft rundenbasiert und endet stets damit, dass entweder alle Spieler gemeinsam gewinnen (dann nämlich, wenn spätestens am Ende der letzten Szenarien-Runde das Spielziel erreicht wurde) oder gemeinsam verlieren. Die einzelnen Runden gliedern sich im Wesentlichen in sechs Abschnitte.

Zu Beginn der Ereignisphase wird eine Ereigniskarte gezogen und das in der oberen Kartenhälfte genannte „sofortige Ereignis“ abgehandelt. Diese Ereignisse haben durch die Bank negative Auswirkungen. Danach wird die Ereigniskarte auf ein sogenanntes Bedrohungsfeld gelegt. Wenn die Spieler nun in der nächsten Spielrunde die auf der Karte genannte Anstrengung/Bedingung erfüllen, wird der Text der unteren Kartenhälfte wirksam, der stets positive Belohnungs-Effekte für die Schiffbrüchigen bereit hält. Erbringen die Spieler diese Voraussetzung jedoch nicht, verlässt die Ereigniskarte meist auch am Ende der nächsten Runde das Spielbrett und es wird dadurch abermals ein für die Spieler äußerst unangenehmer Effekt ausgelöst.

In der Moralphase wird die in der Gruppe herrschende Stimmung überprüft. Dazu dient eine Moralleiste, deren Anzeige entweder dazu führt, dass der Startspieler (der in jeder Spielrunde im Uhrzeigersinn wechselt) bei guter Moral Entschlossenheitsplättchen erhält bzw. solche bei schlechter Stimmungslage abgeben muss.

Die Produktionsphase versorgt die Spieler mit Nahrung oder Holz, je nachdem, auf welchem Inselteil sich ihr Lagerplatz befindet.

Das Herzstück des Spiels stellt die Aktionsphase dar. Diese Phase bietet den Spielern die Möglichkeit der überaus freien Gestaltung und kann an dieser Stelle nur in sehr groben Zügen erklärt werden.
Grundsätzlich verfügt jeder Spieler über zwei Aktionsspielsteine, die er nun einer Vielzahl von Tätigkeiten zuordnen kann. So ist es möglich, mit Dach- oder Palisaden-Ausbauten das Lager zu verbessern, Erfindungen können entwickelt, Gegenstände hergestellt, Ressourcen gesammelt und wilde Tiere gejagt werden. Vereinfacht gesagt ist eine solche Tätigkeit stets dann automatisch von Erfolg gekrönt, wenn ein und derselben Aktion zwei Aktionsspielsteine (das kann auch jeweils ein Stein von zwei unterschiedlichen Spielern sein) zugeordnet werden. Da ist dann hinter der Sache eben ordentlich Dampf dahinter!

Wird einer Tätigkeit jedoch nur ein einzelner Aktionsspielstein zugeordnet, ist der positive Abschluss dieser Aktion ganz und gar nicht sicher! Sie kann zwar nach wie vor ohne jegliche negative Auswirkung gelingen, genauso gut kann sie aber auch komplett schiefgehen oder aber nicht ganz so hundertprozentig perfekt gelingen. Der individuelle Erfolg – oder Misserfolg – wird in diesem Fall über Aktionswürfel festgestellt.

Das wirklich Interessante an dieser Mechanik: In jeder Runde hat man sich neu zu entscheiden, ob eine Aktion so unabdingbar wichtig für das Überleben der Gruppe ist, dass man ihr unbedingt zwei Aktionsspielsteine zuweisen muss oder aber ob es sich lohnt zu zocken, um statt einer sicheren, doppelt so viele Aktionen mit jeweils unsicherem Ausgang durchzuführen. Und dabei macht es sehr wohl einen Unterschied, ob ich mit zwei solchen Aktionsspielsteinen an einem Dach für das Lager zimmere und dem nächsten Wolkenbruch ganz sicher trockenen Fußes gegenübertreten kann oder ob ich mir dabei einen rostigen Nagel in den Daumen schlage und mir eine Wunde einfange, die sich dann mit ein paar Spielrunden Verzögerung entzündet und mich zur Bettruhe und damit zur völligen Untätigkeit verurteilt.

Alles, was in der Aktionsphase geschieht, hat unmittelbaren und oftmals auch spielentscheidenden Einfluss auf das weitere Geschehen. Abhängig von Geschick oder Ungeschick gelangen Abenteuerkarten ins Spiel, die mit Zeitverzögerung irgendwann mal im weiteren Spielverlauf auftauchen und dafür sorgen werden, dass sich aus den vielleicht schon viele Spielrunden lang zurückliegenden Handlungen unausweichliche Konsequenzen ergeben.

Während der Wetterphase toben sich Wolken, Regen und Stürme über dem Lagerplatz aus und machen die Abendruhe nicht immer zu einem erholsamen Unterfangen.

Die Spielrunde wird durch die Nachtphase abgeschlossen, in der die Gruppe Nahrung zu sich nehmen muss und der Lagerplatz auf ein lukrativer erscheinendes Inselfeld verlegt werden kann (wobei in diesem Fall zumeist auch bereits aufgewertete Dach- und Palisadenstärke wieder verloren geht). Der Rundemarker zieht auf der Szenarien-Tafel weiter und los geht’s mit der nächsten kräfteraubenden Spielrunde.

Die Abenteuer
Die Spieler können mit Hilfe von drei doppelseitig bedruckten Szenarien-Tafeln insgesamt sechs unterschiedliche Abenteuer erleben. Diese Tafeln warten allesamt mit nur für das jeweilige Kapitel geltenden Sonderregeln auf und sind auch unterschiedlich hart zu knacken. Während das Tutorial unter dem Titel Schiffbrüchig die eigentliche Story der auf einer einsamen Insel hilflos Gestrandeten erzählt, schlagen die Szenarien Die verfluchte Insel, Jenny braucht Hilfe!, Vulkaninsel, Insel der Kannibalen sowie Familie Robinson teilweise einen recht weiten Handlungsbogen und konfrontieren die Spieler mit vielfältigen und meist auch recht schwer lösbaren Aufträgen. Der Wiederspielreiz ergibt sich aus dieser Vielfalt an Aufgabenstellungen sowie aus dem Umstand, dass die Kapitel zumeist nicht im ersten Anlauf geschafft werden können.

Was sonst noch so alles passiert
Robinson Crusoe hält allerlei Varianten bereit, die das Spiel-Erlebnis ganz den individuellen Bedürfnissen der Spieler anpassen. So kann zwischen verschiedenen Schwierigkeitsgraden gewählt werden, ein Eingeborener namens Freitag (sieh an, sieh an) hilft schon mal gerne aus und wenn man sich nach der Gesellschaft eines Hundes sehnt, ist auch das möglich. Beide Charaktere bringen jeweils einen zusätzlichen Aktionsspielstein ins Spiel.

Wem es nicht reicht, einfach nur zu gewinnen, kann auch die erreichten Gesamtpunkte notieren und sich beim nächsten Mal daran machen, diesem Ergebnis noch eins draufzusetzen.

Die Spieltiefe selbst ist so ungeheuer groß, dass in dieser Rezension bei weitem nicht auf alle Details eingegangen werden kann.

Spieletester

08.04.2014

Fazit

Robinson Crusoe ist eine durchaus gelungene Umsetzung des harten Überlebenskampfes, dem man auf einer abgeschiedenen Insel ausgesetzt ist. Die Mechanismen greifen harmonisch ineinander und ergeben in all ihrer Komplexität durchaus Sinn. Allerdings spielt sich das auf ungewöhnliche Weise in einer seltsam sachlich/sterilen Atmosphäre ab - dieser Umstand erschwert es den Spielern, ein stimmungs- und fantasiegeladenes Abenteuer zu erleben. Robinson Crusoe ähnelt im Unterbau einer mathematischen Formel, die mit kühlem Kopf ergründet werden will. Analytiker werden ihre wahre Freude daran haben, nach Lösungsansätzen für die vielfältigen Problemstellungen zu suchen, die ihnen dieses Spiel in sehr breiter Palette bietet. Gelegenheitsspielern sind die Abenteuer auf der verfluchten Insel jedenfalls dringend empfohlen. Familienspieler – vor allem, wenn sich noch jüngere Kinder in der Runde befinden – werden den Zugang schon schwieriger finden, unter anderem auch deshalb, weil die Szenarien allesamt nicht einfach zu bewältigen sind und erst nach ein paar Anläufen gelöst werden können.
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • vielfältige und tiefgehende Mechaniken
  • üppige Ausstattung
  • Szenarien sind nur sehr schwer zu bezwingen

Minus

  • vermittelt eine seltsam mathematisch-analytische Atmosphäre
  • Szenarien sind nur sehr schwer zu bezwingen

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Besucherkommentare

Strick | 06.12.2021

Robinson Crusoe ist ein großartiger wirklich anspruchsvoller Spielspaß. Wir fiebern jedesmal mit ob das Schicksal uns nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht und das Ziel verlieren lässt. Auch finde ich es nicht als zu mathematisch sondern die gewaltige Komplexität trotzdem immer toll und stimmig eingebunden in die Geschichte. Wir hatten nie den Eindruck das es Regeln um der Regeln willen gibt. Ein Anschauen der vielen Anleitungen als Video ist aufgrund der vielfältigen Regeln nicht verkehrt. Spoilern ist da nicht wirklich drin weil es aufgrund des Spielprinzips immer anders abgeht.

Michael St. | 05.06.2022

Robinson gehört seit Beginn an zu meinen Lieblingsspielen. Wie atmosphärisch R.C. wahrgenommen wird hängt natürlich immer von dem Mitspielern und deren Berreitschafft und Fähigkeiten zu imaginieren ab

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 120 Minuten
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Pegasus Spiele
Grafiker: Mateusz Bielski
Zubehör:

Die Insel:
  1 Spielbrett
11 Inselteile
Würfel:
9 Aktionswürfel
3 Wetterwürfel
kleinformatige Karten:
30 Erkundungskarten
  1 Karte "Lager aufräumen"
  8 Startgegenstände
16 Tierkarten
großformatige Karten:
73 Ereigniskarten
  5 Strandgutkarten
52 Geheimniskarten
30 Abenteuerkarten "Ressourcen"
30 Abenteuerkarten "Bauen"
30 Abenteuerkarten "Erforschen"
  1 Personenkarten "Freitag"
  1 Karte "Hund"
Kartentafeln:
3 Szenariotafeln (doppelseitig)
4 Charaktertafeln (doppelseitig)
Marker & Steine aus Holz:
  8 Aktionssteine (4 Farben)
11 neutrale Aktionssteine
  1 Aktionsstein "Freitag"
  1 Aktionsstein "Hund"
20 Ressourcenwürfel "Holz"
  8 Ressourcenwürfel "Fell"
19 Ressourcenwürfel "Nahrung"
  6 Verwundungsmarker
35 Zustandsmarker
  1 Rundenzählstein
Kartonplättchen:
  3 Abenteuerplättchen
22 Entdeckungsplättchen
20 Entschlossenheitsplättchen
  3 Wetterplättchen
11 Lager-/Unterschlupfplättchen
  1 Abkürzungsplättchen
  6 Reihenfolgeplättchen
12 Verletzungsplättchen
22 Effektplättchen
Sonstiges:
1 Startspielermarker
1 Spielanleitung (40 Seiten)

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