Abney Park's Airship Pirates

Das Spiel ist nur in englischer Sprache erhältlich.

Wenn Schauspieler anfangen zu singen, dann ist es häufig nur etwas, was eingefleischte Fans wertschätzen. Wenn eine Musikgruppe ein Rollenspielhintergrund inspiriert, dann bekommen wir Abney Park’s Airship Pirates.

Abney Park ist gemäß Wikipedia "eine Steampunk-Band aus Seattle. Die Band vermischt bei ihrer Musik Elemente aus Electropop, Alternative Rock und Filmmusik, ihr Schaffen wird aber auch von World Music beeinflusst.“ Ebendiese, genau genommen ihr Frontmann "Captain“ Robert Brown, haben ihre Version einer Steampunkwelt als Rollenspiel schreiben lassen. Zitate aus den Liedtexten sind über das ganze Buch verteilt.

Airship Pirates ist ein 300 Seiten starker Festeinband. Das Innere ist vierfarbig und die Bindung stabil. Die Illustrationen sind sehr gelungen und geben die Stimmung und den Hintergrund des Spieles gut wieder. Sehr lobenswert ist die Doppelseite auf welcher die Künstler kurz vorgestellt werden und ihre Kontaktadressen zu finden sind.

Nach einer Kurzgeschichte folgt die Einleitung. Wie üblich wird kurz erklärt was ein Rollenspiel ist, ein Beispiel gegeben und das Regelsystem in wenigen Sätzen erklärt.

Das erste Buch behandelt die Regeln und das System.
Um einen Charakter zu erschaffen, wird zunächst ein Konzept benötigt. Was möchte die Gruppe spielen und was für eine Piratenmannschaft soll es denn sein? Nachdem man eine grobe Vorstellung hat, werden die Kulturen vorgestellt. Die Neobeduinen sind die nomadischen Stämme, die in der Wildnis umherziehen, klassische postapokalyptische Überlebende à la Mad Max. In den wenigen übriggebliebenen Festungsstädten am Boden leben die Neovictorianer. Diese spalten sich noch in 5 Gruppen auf: Unterschicht, Mittelschicht, Oberschicht, Automaten und die Scheußlichkeiten. Die Automaten sind Androiden und Roboter, natürlich Uhrwerke, welche intelligent sind und Selbstbewusstsein entwickelt haben. Die als ‚Scheußlichkeiten‘ bezeichnete Gruppe sind Mutanten, welche am Rande der Gesellschaft ihr Dasein fristen. Die Technik und Kultur wurde auf die (alternative) viktorianische Zeit eingefroren. Das ganze hat mich stark an die Megaplexe aus Judge Dredd oder Fritz Langs Metropolis erinnert.
Das Himmelsvolk dagegen lebt in fliegenden Städten, welche alle ihre eigenen Ideologien und Lebensauffassungen vertreten und in einen losen Bund gegen das Imperium der Neovictorianer stehen. Dort haben wir dann auch die namensgebenden Luftschiffspiraten. Obwohl zeitlich wohl später, kam mir hier Bioshock3 im Sinn.

Es gibt 6 Attribute: Stärke, Geschicklichkeit, Kondition, Präsenz, Auffassungsgabe und Entschlossenheit. Jeder Charakter fängt mit einem Wert von 1 bei den Attributen an und addiert seine Kulturbonusse dazu und subtrahiert Malusse. 3 Punkte dürfen danach frei verteilt werden. Zum Schluss dürfen noch 2 Punkte umverteilt werden. Dies ergibt einen Bereich von -3 bis +5. Von den Hauptattributen leiten sich Initiative, Gesundheit und die Geschwindigkeit ab.
Danach darf der Spieler 30 Charakterpunkte auf Fertigkeiten und Talente verteilen. Es gibt 25 allgemeine Fertigkeiten und 39 spezielle Fertigkeiten, die zum Teil wiederum spezialisiert werden müssen. Auf eine Probe mit allgemeinen Fertigkeiten darf man immer würfeln, auf alle anderen nur wenn man die entsprechende Fertigkeit erlernt hat. Es wird empfohlen in einer Würfelgruppe mindestens 6 Würfel zu haben, um entsprechenden Erfolg zu haben. Das erfordert unweigerlich die Maximierung der Fertigkeiten. Ein Fertigkeitspunkt kostet einen Charakterpunkt. Die Kultur bestimmt welche Berufe erlernt werden können. Dort werden dann 20 Fertigkeitspunkte verteilt. So unterschiedlich wie die Kulturen sind auch die Berufe, vom Lebemann bis zum Schamanen ist alles vertreten.
Jede Gruppe hat eine gemeinsame „Masche“, welche als Alibi (oder Ernährungsgrundlage) ihrer Piratenaktivität dient, z.B. Musiker, Söldner oder Händler. Diese Masche hat Fertigkeitsgruppen aus denen sich der Charakter 3 Fertigkeiten aussuchen darf und dort jeweils einen Punkt erhält. Um als Pirat Erfolg zu haben starten auch alle Charaktere mit 3 Fertigkeitspunkten aus der Gruppierung der Luftschifffertigkeiten.

Die Talente sind kleinere und größere Vorteile für den Charakter, wie z.B. Schönheit, Nachtsicht, Schnellziehen und Zeitsinn. Ein Talent kostet zwischen 3 und 5 Punkten, die meisten aber 3.
Natürlich sind die Punkte zu knapp, mit Komplikationen kann man sich bis zu weitere 10 Punkte erkaufen. Diese Nachteile machen sich schon im Spiel bemerkbar. Es dürfen bis zu 3 gewählt werden, von denen der erste 5 Punkte, der zweite 3 Punkte und der dritte 2 Punkte gibt.

Die Piraten bekommen auch ein Schiff und zwar im Design von Jerving & Bottingly‘s „Tigerfisch“ und können dort 50 Ressourcenpunkte auf die Schiffseinrichtung verteilen. Alternativ kann das vorgefertigte Schiff Cordelia genommen werden, dessen Deckpläne im Anhang zu finden sind.

Zum Schluss wählt man noch den Namen, das Aussehen, das Alter, die Persönlichkeit und die Ausrüstung aus. Den Schluss des Kapitels bilden 6 Beispielcharaktere.

Das Kapitel danach beschreibt die Fertigkeiten, aber leider nicht deren spielmechanischen Anwendungen. So wird Athletik beschrieben als sportliche Aktivität, gut fürs Klettern, Springen und Schwimmen. Sehr nützlich für Abenteurer. Keine Beispiele, keine Vorschläge für Bonusse oder Malusse, keine Schwierigkeitsstufen, keine Hinweise ob sich die Sprungdistanz verändert, einfach nichts.

Die Häresie Spielmechanik beruht auf Würfelgruppen. Es werden die Fertigkeitswürfel und die Attributwürfel addiert, geworfen und jedes Ergebnis von 1 oder 6 ist ein Erfolg. Wenn der Würfel eine 6 zeigt, dann darf dieser noch einmal geworfen werden.
Erschwernisse werden normalerweise mit ‚Schwarzen Würfeln’ eingebracht. Jede 1 oder 6, die auf diesen Würfeln geworfen werden, ziehen einen Erfolg ab. Bei einer 6 wird dieser jedoch nicht noch einmal gewürfelt. Für ein normales Erfolgserlebnis benötigt man 2 Erfolge. Ist das Ergebnis negativ, d.h. mehr Erfolge durch Schwarze Würfel als Erfolge mit den Gruppenwürfeln, dann hat man einen Patzer geworfen. Die Folgen sind dann besonders unangenehm für den Charakter. 3 Würfel können direkt in einen Erfolg umgetauscht werden, aber selbst dann müssen die schwarzen Würfel noch gerollt werden.

Die Erfolge gliedern sich in Teilerfolg (1 Erfolg), Erfolg (2 Erfolge), Guter Erfolg (3 Erfolge), Beeindruckender Erfolg (6 Erfolge), Ehrfurchterzeugender Erfolg (15 Erfolge), Gottgleicher Erfolg (20 Erfolge).

Die Schwierigkeiten sind Leicht (+5 Würfel), Normal (0 Schwarze Würfel), Schwierig (3 Schwarze Würfel), Sehr Schwierig (6 Schwarze Würfel), Extrem Schwierig (12 Schwarze Würfel).

Es mag aufgefallen sein, dass ich den Teilerfolg bis jetzt noch nicht angesprochen habe. Das liegt daran, dass gemäß der Beschreibung aus dem Buch ein Teilerfolg weniger erstrebenswert ist als ein Misserfolg, den man wiederholen kann. Es scheint als ob der Teilerfolg zu gleichen Teilen Erfolg wie Patzer ist.

Der Kampf darf nicht fehlen in einem Rollenspiel. Dieser funktioniert folgenderweise: Es wird die Initiative gewürfelt. Jeder sucht sich genau einen Gegner aus. Wer von den beiden den höheren Initiativewurf hat bekommt +2 Würfel auf seinen Angriff. Beide würfeln ihre Kampfgruppenwürfel, wobei jeder seine Schwarzen Würfel dazu nimmt und derjenige mit den meisten Erfolgen, Schaden am Gegner verursacht. Im Falle von Schusswaffen würfelt der Angreifer seine Fernkampfwaffenfertigkeit + Geschicklichkeit gegen die Geschicklichkeit + Ausweichen des Gegners. Auch hier ist wieder offensichtlich, wer nicht maximierte Werte hat, sollte dem Kampf tunlichst aus dem Weg gehen. Es gibt dann noch Regeln zur Rüstung, Begleitschaden, Deckung, spezielle Manöver und Kampf mit mehreren Gegnern. Auch hier sind seltsame Dinge zu finden, z.B. dass Reiten die Obergrenze der Würfelgruppe für einen Reiter bestimmt, aber keinen Vorteil im Kampf bringt. Kavallerie dürfte hier unbekannt sein.
Mit der Wahnsinn!-Regel kann der Spielleiter zusätzliche Bonuswürfel für cinematische Aktionen vergeben. Abschließend wird Schaden und Heilung besprochen.

Das nächste Kapitel sind die dramaturgischen Regeln. Es folgen Regeln für Gifte, Krankheiten, Ertrinken und Fallschäden.
Mit den Schicksalspunkten und den Drehbuchwürfel können Situationen zu Gunsten der Charaktere geändert werden. Mit einem Schicksalspunkt kann man sich einen Erfolg kaufen, Schaden um 1 verringern, den Tod hinauszögern oder jemanden anderen unterstützen. Mit 6 Schicksalspunkten, die einem Drehbuchwürfel entsprechen, kann man einen Wurf wiederholen, dem Tod von der Klinge springen oder eine Szene verändern. Das alles aber nur mit Einverständnis des Spielleiters. Jeder Charakter beginnt mit 8 Schicksalspunkten das Spiel.
Erfahrung wird in Punkten gemessen. Diese Punkte können zur Erhöhung von Attributen, Fertigkeiten oder Talenten genutzt werden. Alternativ können dies auch zu Schicksalspunkten umgewandelt werden.

Das Kapitel Luftschiffe, Fahrzeuge und Wilde Tiere erzählt uns den Hintergrund der Fahrzeuge. Wie an anderen Stellen des Buches auch darf man nicht zu viel über die angegebenen Begründungen nachdenken. Ähnlich wie bei Star Wars ist Logik deutlich dem Stil untergeordnet.
Zunächst einmal werden die Erweiterungen und Module für die Luftschiffe besprochen. Das geht über ein abstraktes Punktesystem. Die Mannschaft eines Schiffes wird auch abstrakt behandelt. Dort bestimmt die Anzahl und die Kompetenz das Spielverhalten. Dennoch ist es für die Spieler wichtig durch Rollenspielereignisse die Moral ihrer Mannschaft zu erhöhen und damit die Kompetenz zu steigern.
Fahrzeuge und wilde Tiere benutzen dieselben Regeln, sowohl bei Verfolgungsjagden, Kämpfen, als auch bei der Überwindung von Hindernissen. Luftschiffe haben Sonderregeln. Wie auch bei Victoriana begegnen wir hier Würfelmassen, z.B. 150 Schadenswürfel für Bordkanonen. Um ihnen Einhalt zu gebieten werden diese durch 10 geteilt. Dann werden diese immerhin noch 15 Würfel geworfen und später wieder mit 10 multipliziert. Ob auf- oder abgerundet wird, bleibt ungeklärt.

Die Ausrüstung füllt die nächsten 15 Seiten. Im dem Sammelsurium aus Kleidung, Fahrzeugen, Waffen und Gegenständen sind nützliche Orientierungshilfen für die Preisgestaltung zu finden.

Es schließt das zweite Buch „Encyclopedia“ an.
Die Geschichte dieser Welt ist bis zum Jahre 1650 u. Z. identisch mit der unsrigen. Danach hat die Mannschaft der Ophelia unter dem Kommando von Kapitän Brown die Zeitlinie verändert. Da sie (und später die Charaktere) durch die Zeit reisen und Missstände beheben, wurden ganz neue Katastrophen geschaffen. In kurzem zusammengefasst wurde eine Zeit des Friedens geschaffen in der die Menschen die Probleme der Überbevölkerung und der Umweltverschmutzung nicht im Griff bekamen. Ein Diktator namens Victor Hypocrates konnte die Macht an sich reißen, reduzierte die Bevölkerung und kerkerte den Rest in Festungsstädte ein. Die technologische Entwicklung, Kultur und das Wissen wurden gewaltsam auf das viktorianische Zeitalter zurück geprügelt. Durch harte Zensur, Propaganda und Gehirnwäsche wird die Bevölkerung auf diesen Stand gehalten. Außerhalb dieser Städte trotzen die Neobeduinen den von Victor geschaffenen genetischen Monstern auf dem Boden. Einzelne Widerstandsgruppen schafften es Luftstädte zu gründen. Aufgrund von überlegener Luftstreitkraft können sie sich in einen wackligen Frieden gegen das neoviktorianische Regime behaupten.
Die Geographie von Nord-Amerika wird in acht Klimazonen aufgeteilt und cineastisch vereinfacht.
Die einzelnen Kulturen werden jetzt noch einmal tiefer gehend beleuchtet. Es fängt mit Himmelsvolk an. Es werden Beispielstädte angeführt und ein Zufallssystem zur Städteerschaffung angeboten. Die Bedeutung der Piraten und ihr Ehrenkodex sind hier ebenfalls zu finden.
Die Neobeduinen sind eng an die amerikanische Urbevölkerung orientiert, zusätzlich einiger Dampf- und Dieselfahrzeuge. Als Beispiel wird der Stamm der westlichen Kamelopiden angeführt.
Der größte Abschnitt füllt die Beschreibung über die Neovictorianer. Es werden die Umstände in den Städten beschrieben. Die Nahrung wird aus Pilzen gewonnen, Fleisch ist Schmuggelware. Mauern trennen die Viertel und selbst für die Reichen ist es ein Leben wie im Käfig. Automaten und die Geheimpolizei Chuno Ggun des Imperators wachen über das Reich. Außerhalb der Mauern ist es die Marine, die Piraten und gelegentlich eine der Städte der Himmelvölker angreift. Jede Art von Erfindung wird brutal unterdrückt und die (Un-)Schuldigen werden in dem Turm in der Mitte der Stadt verschleppt, um nie wieder gesehen zu werden. Es wird noch der Palast des Imperator und die Freie Stadt Helium kurz angerissen.
Das Kapitel schließt mit einer Kurzgeschichte.
Das Buch 3 richtet sich an den Spielleiter. Nach einer kurzen Einführung wird über Abenteuer mit einem Handlungsfaden und Sandkastenspiele gesprochen. Es folgen einige Nichtspielercharakterwerte. Hier werden dann die Themen des Spieles erläutert: Steampunk, Postapokalypse, Zeitreisen, Piraten, Freiheit, Erforschung, Verantwortung und Konsequenzen. Wie findet man Inspirationen für das Spiel? Die nächsten drei Seiten besprechen die Lieder der Gruppe Abney Park und andere Quellen.
Zeitreisen und wie damit umgegangen werden kann füllt das nächste Kapitel. Die goldenen Regeln dafür lauten: Zeitreisen sind selten und schwierig, alles findet nur auf einer Zeitlinie statt und die Zeitlinie kann nur schwerlich verändert werden. Es wurden nur 2 Zeitmaschinen jemals gebaut und die persönliche Vergangenheit kann nicht geändert werden. Davon abgesehen kann natürlich jede Menge Unsinn damit gemacht werden.
In der Menagerie werden die Tiere Nordamerikas besprochen. Die meisten sind genetische Neuzüchtungen, welche Menschen jagen. Alte Bekannte aus der Vorzeit, wie die Säbelzahnkatze, das Mammut oder der Schreckensvogel sind auch wieder unterwegs.
Das letzte Kapitel ist ein kurzes Abenteuer in der es gilt, ein entführtes Kind zu retten, natürlich auf Piratenart.
Ein sehr kurzer Index, die Künstlervorstellung, das Charakterblatt, die Pläne der Cordelia, grobe Übersichtskarten über Amerika und Werbung füllen die letzten Seiten.

Spieletester

15.11.2011

Fazit

Es handelt es sich hier um ein farbenfrohes Piraten-Postapokalypse-Zeitreise-Pulp Spektakel, welches in Steampunkelementen eingebettet ist, jedoch den Geist des viktorianischen Zeitalters vermissen lässt. Diese hier verwendete kompaktere und klarere Version des Häresie Regelwerks ist deutlich besser als in Victoriana. Das hebt das Regelgerüst leider immer noch nicht aus der Mittelmäßigkeit heraus. Alles in allem aber ein vergnügliches Werk, das einlädt zu Spielabenden mit: „Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste, Ho ho ho und 'ne Buddel mit Rum!“
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 6
Alter: ab 12 Jahren
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2011
Verlag: Cubicle 7
Genre: Rollenspiel
Zubehör:

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