Masters of Venice

Als ich noch ein Kind war, mahnte meine Mutter stets: "Erst die Arbeit, dann das Spiel" und meinte damit: "Mach die Hausaufgaben, aber schnell". Es wurde aber die Belohnung "Spiel" deutlich in Aussicht gestellt. Für "Masters of Venice" will mir dieses Wort allerdings nicht über die Lippen kommen. Warum?
Na ja, das kam so......

Mit der deutschen Spielregel ausgerüstet machten wir uns per Auto auf den Weg ins weihnachtliche Mitterbach, dorthin, wo meine Mutter wohnt. Dieses kleine Voralpenörtchen erreicht man in gut 2 Stunden und das ist die ideale Fahrzeit, um eine Spielregel nicht nur zu lesen bzw. vorgelesen zu bekommen, sondern auch gleich ausgiebig zu diskutieren. Bevor wir aber zum Spiel selbst kommen, möchte ich gleich unserem Freund und Übersetzer Göldi den Dank für die deutsche Spielanleitung und die Spielhilfe zukommen lassen.
Also: besten Dank, lieber Gerhard!

MoV (klingt zumindest genau so gut wie WoW) ist ein lupenreines Optimierungsspiel. Man startet im Venedig des 14. Jahrhunderts mit einer Beteiligungsaktie eines von 5 Geschäften und ist damit Mehrheitseigentümer dieses Geschäfts. Durch günstigen Einkauf von 6 verschiedenen Waren und ihrem folgenden gewinnbringendem Verkauf scheffelt man Dukaten. Erfüllte Gildenaufträge bringen Siegpunkte, die am Ende den Sieger bestimmen, während des Spiels aber auch in Dukaten ausbezahlt werden können. Einkauf von Waren ist in den 4 Docks möglich, man kauft, soviel dort verfügbar ist, so viel man will oder so viel man sich leisten kann. Eine Gratis-Ware (die eben dort liegt) bekommt man in den beiden Frachtbüros. Eine Ware wird sofort aus dem Beutel nachgelegt, 4 weitere werden aus dem Beutel gezogen und auf die 4 Docks verteilt. Wann immer eine Ware aus dem Beutel gezogen wird und ins Spiel kommt, sinkt ihr Preis. Der Stift wird auf der zugehörigen Preisskala pro Warenstein um eine Position nach links versetzt, der Preis sinkt um 5 Dukaten. Wann immer ein im Spiel befindlicher Warenstein gekauft oder verkauft wird, steigt der Preis dieser Ware. Werden in Geschäften oder in der Gildenhalle Waren geliefert, sinkt die Auftragszahl dieser Ware. Die Auftragszahl, sie wird ebenso auf einem Steckbrettchen mit einem Stift markiert, gibt an, wie viele Waren dieser Art noch geliefert werden können. Ist die Auftragszahl auf null gesunken, kann diese Ware nicht mehr verkauft und auch nicht mehr der Gilde geliefert werden.

Natürlich muss es auch Mechanismen geben, um die Auftragszahl (=Nachfrage) einer Ware wieder zu erhöhen. Es gibt derer insgesamt 4, hier sind sie in „the order of appearance“, wie es in klassischen Hollywood-Filmen heißt.

Gebotene Dukaten ändern die Nachfrage:
Gleich am Beginn des Spiels in der ersten Bietphase (es folgen noch 3 weitere) stellt jeder Spieler jenen Betrag in Dukaten ein, den er bieten möchte, um einen vorderen Platz in der Zugreihenfolge zu bekommen. Bieten passiert in Schritten zu 5 Dukaten, der Höchstbietende wird Startspieler. Die Zugreihenfolge gibt auch die Reihenfolge der Charakterwahl vor. Zu den Eigenschaften der Charaktere kommen wir etwas später. Mit einem Gebot von beispielsweise 25 Dukaten darf er den Auftragsmarker eines Geschäfts (=Ware) um 5 Einheiten(Gebot durch 5) nach oben ziehen oder ihn um 2 Einheiten (die abgerundete Zehnerstelle des Gebots) nach unten ziehen. Der Spieler mit dem niedrigsten Gebot wird Gondoliere und bekommt den Gondelmarker.

Gerüchteplättchen ändern die Nachfrage:
Diese Plättchen bekommt der aktive Gondoliere am Ende einer Runde, wenn er die hübsche Gondel auf dem Kanal von Venedig ein Feld weiter zieht. Drei Runden behält jeder seine Rolle, dann folgt die nächste Bietrunde. Der Gondoliere sackt damit während seiner Amtszeit 3 Gerüchteplättchen ein. Jedes verändert einen der drei Marker des farblich passenden Geschäfts um eine Position nach unten oder oben. Dann ist das Gerücht abgehandelt und kommt aus dem Spiel. Man darf in seinem Zug beliebig viele Gerüchteplättchen spielen. Letzter in der Zugreihenfolge zu sein ist über den Vorteil dieser Plättchen also nicht wirklich ein Nachteil.

Begünstigungen ändern die Nachfrage:
Begünstigungsplättchen kauft man um 20, 30 oder 40 Dukaten in der Kirche. Damit kann man bei Bedarf im eigenen Zug einen Nachfragemarker um bis zu 2, 3 oder 4 Positionen erhöhen.

Anteilsmehrheit ändert die Nachfrage:
Hält man die Anteilsmehrheit in einem Geschäft und befindet sich die eigene Spielfigur in der Geschäftsstraße, darf man den Preis der Ware des Geschäfts um 2 erhöhen und die Nachfrage um 1 senken oder den Preis der Ware um 2 senken und die Nachfrage um 1 erhöhen.

Sowohl das Ausnutzen der Anteilsmehrheit als auch der Erwerb von Begünstigungen sind nur am richtigen Ort möglich. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, das ist vielfach die Devise. Und Orte gibt es am Spielplan genug. 4 prinzipiell gleichberechtigte Docks, 5 Geschäfte in der Shopping Mall, die Gilde und der Wertpapiermarkt. Diese Orte darf man gemeinsam mit anderen Spielern nutzen, hat quasi dort Besuchsrecht. Die Kirche, den Markt und die beiden Frachtbüros besucht man alleine, ohne dass sich andere Spieler dort anhängen können.

Welcher Spieler an welchen Ort ziehen mag, wird wiederum mit der Wählscheibe geheim eingestellt. In Spielreihenfolge werden die einzelnen Orte dann besucht und abgehandelt. Waren verkauft man in den Geschäften zum doppelten Preis, am Markt darf man eine Ware zum Normalpreis kaufen und/oder eine andere Ware zum Normalpreis verkaufen. Da hilft es zusätzlich, die richtige Rollenkarte am richtigen Ort zur Verfügung zu haben. Der Händler erlaubt am Markt Kauf/Verkauf von 2 Waren, der Dieb klaut eine Ware vom Dock, der Hafenmeister zieht jedesmal wenn er ein Frachtbüro besucht eine Gratis-Ware aus dem Beutel, mit etwas Glück ist es Holz. Holz ist in den Geschäften nicht handelbar, man braucht es aber für fast jeden Auftrag für die Gilde. Holz für die Gilde (fast hätte ich Gold für die Hilde geschrieben).

Money makes the world go round, macht aber den Kanal von Venedig zu einem U-Hakerl. Das Spielziel sind fast immer Siegpunkte oder Geld. Hier sind es Siegpunkte und Geld, das in Siegpunkte umgemünzt wird. Ebenso werden alle erworbenen Werte in Dukaten summiert und in Siegpunkte umgerechnet, wer dann am meisten hat ist Sieger dieses Nicht-Spiels. Am Ende dieser Rezension lasse ich mich also dazu hinreissen, Masters of Venice als Nicht-Spiel zu bezeichnen.

Spieletester

19.02.2011

Fazit

MoV ist wahrlich ein astreines Logistikmeisterwerk mit ganz wenig Glücksfaktor und noch weniger Glücksmomenten. Vieles ist harte Arbeit, nicht nur die Zeit der Überlegung und der Grübelei, sondern auch das permanente Anpassen von Warenpreis, Aktienwert und Auftragslage. Auch wenn die Preisanzeiger üblicherweise organisatorisch dem aktuellen Mehrheitsbesitzer übereignet sind, ist das Ändern der Preise für alles lästig. Trotz wirklich toller Ausstattung und großartiger deutscher Spielregel ist MoV weit mehr das Erledigen der Hausaufgabe als das Spielen danach.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 5
Alter: ab 15 Jahren
Spieldauer: 120 Minuten
Preis: 29,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2009
Verlag: R&R Games
Genre: Strategie
Zubehör:

Spielplan, 5 Geschäftstafeln, 10 Anteilsscheine pro Geschäft und pro Frachtbüro, 6 Begünstigungsplättchen, 1 Gondel, 1 Gondelmarker, 5 Wählscheiben, 5 Spielfiguren, 10 Spielermarker, 6 Charakterkarten, 21 Auftragskarten der Gilde, 1 Stoffbeutel mit 90 Warenmarkern (je 15 in braun, gelb, rot, grau, grün und lila), 15 Gerüchteplättchen (je 3 in einer Farbe), 16 Markierungsstifte, Dukaten, Spielanleitung (englisch und deutsch, danke Göldi), Kurzspielanleitung (englisch und deutsch)

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