Beowulf: Das Spiel zum Film

Wenn ein Autor von anderen Autoren abkupfert, nennt man das Plagiat. Wenn ein Autor von sich selbst abkupfert, nennt man das Recycling.
Reiner Knizia ist zweifellos ein Autor mit vielen neuen, guten Ideen, bei dem hier besprochenen Spiel „Beowulf – Das Spiel zum Film“ dürfte es mit guten Ideen jedoch ein wenig gehapert haben. Was tun, fragte er sich wohl bei der Arbeit an diesem Auftrag? Da war doch ein Spiel von mir, Auf Heller und Pfennig, das könnte man doch wieder verwenden. Es war nicht sonderlich gefragt damals, damit auch nicht besonders bekannt, wird schon nicht allzu viele Spieler geben, die beides spielen und sich an das Original erinnern...

Gesagt, getan. Her mit dem alten Spiel, thematisch vom Marktplatz mit Marktständen auf eine Fantasywelt transponiert, schnöder Mammon wird durch Sagen-Punkte ersetzt (schaut aber noch immer aus wie schnöder Mammon, ich glaube nicht, daß Sagen-Punkte in Form von Münzen zu erwerben sind), die eigenen Marktstände mit den Werten 1-4 werden durch Kunststoffminiaturen ersetzt, die am Sockel 1-4 Diamanten als Zeichen ihrer Wertigkeit tragen. Bei Auf Heller und Pfennig gab es drei Runden, die mit einem Marker auf den Kirchtürmen über dem Marktplatz angezeigt werden, bei Beowulf gibt es drei Kapitel, die auf eigenen Spielplänen abgehandelt werden. Das ist nett, eine gute Idee, und unterscheidet sich vom Original.
Auch die Trennung der Plättchen nach Kapiteln, hier Segnungen und Gefahren, was früher zahlungskräftige Bürger und Diebe waren, ist neu. Besonders neu aber sind die vielen Sonderplättchen, die Beowulf durchaus zu einem neuen Spielerlebnis und auch komplexer als das Original machen. Vielleicht auch deswegen die Anhebung von 9 auf 10 Jahre als untere Altersangabe.

Das Spielprinzip ist schnell erklärt. Man nimmt ein verdecktes Plättchen auf die Hand, hat damit drei, und legt ein Plättchen auf dem Spielplan ab ODER man setzt eine seiner 10 Figuren auf den Spielplan. Ist der Spielplan voll belegt, wird gewertet. Waagrecht und senkrecht zu einer Figur werden die positiven und negativen Werte gegeneinander aufgerechnet und die Summe, positiv oder negativ, mit dem Sockelwert der Figur multipliziert. Das positive Ergebnis bekommt man in Sagen-Punkten ausbezahlt, ein negatives Ergebnis zahlt man in die Kasse. Gewisse Sonderplättchen beeinflussen das Ergebnis. Langschiffe mit dem Wert 1 bekommt man nach der Wertung für die folgenden Kapitel wieder zurück, alle anderen Figuren kann man nur einmal einsetzen und werten.

Natürlich ist man ständig im Zweifel, wohin man ein Plättchen legen soll. Außerdem, soll man lieber den Gegnern zu schaden versuchen oder lieber sich selbst was Gutes tun? Zu Zweit ist das Spiel noch einigermaßen planbar, zu Dritt oder gar zu Viert wird’s zusehends mehr Glückspiel. In jeder Besetzung ist es ein ausgesprochen trockenes Spiel. Es findet keine Interaktion, ja nicht einmal Kommunikation statt, außer, wenn ein Spieler bei seinen Überlegungen für den besten Zug zu Selbstgesprächen neigt. Mir persönlich tut sich zu wenig zwischen den Spielern. Irgendwie ist’s fast wie Schach, ja man versucht sogar, Züge im Rahmen seiner Möglichkeiten, die leider gering sind, vorauszuplanen.

Diese Pläne werden aber immer wieder durch die „Macht der Sonderplättchen“ durchkreuzt. Das Plättchen „Met“ kann mit dem Plättchen „Vollrausch“ (?!) zerstört werden, die negative Versuchung durch die positive Tapferkeit ersetzt werden. Das böseste und mächtigste Plättchen jedoch ist die „Goldene Statue“, die es erlaubt, zwei beliebige Plättchen auf dem Spielplan zu vertauschen. Die „Goldene Statue“ gibt es nur einmal. Hat man das Plättchen und hebt es sich bis zum letzten Spielzug im Kapitel III auf (man muß Plättchen aus der Hand am Ende eines Kapitels nicht abgeben), kann man damit vielleicht mit der letzten Aktion das ganze Ergebnis kippen. Das ist uns zu mächtig, und sollten wir das Spiel öfter mal spielen, was aber nicht sicher ist, würden wir wahrscheinlich als Hausregel die „Goldene Statue“ in der Schachtel lassen. Vielleicht auch das Plättchen "Verrat", das -6 Punkte bringt und zusätzlich alle positiven Werte in der Reihe und Spalte, wo es liegt, auslöscht und ausnullt. Lästig sind auch die "Guter Rat" - Plättchen. Diese erlauben, eine eigene Figur ein Feld waagrecht oder senkrecht zu bewegen. Erstens sind diese Plättchen nur sehr selten brauchbar und wenn man sie dann in der Hand hat, wird man sie mitunter nicht mehr los, weil man sie nicht spielen kann. Das ganze Spiel kippt so sehr leicht zur Seite der glücklicheren Spieler. Da kann man überlegen, soviel man will.


Spieletester

31.08.2008

Fazit

„Beowulf – Das Spiel zum Film“ hat genaugenommen nichts mit Fantasy zu tun und allen, die ein Fantasyspiel mit Kämpfereien gegen Monster erwarten, sei vom Kauf abgeraten. All jenen, die es mögen, aus wenigen Möglichkeiten pro Zug das Beste rauszuholen, kann man es durchaus empfehlen. Jeder Zug will gut überlegt sein, Man tüftelt, rechnet und schweigt. Ob Spiele so sein sollen, muß jeder für sich selbst entscheiden. Auch die Wertung passt da durchaus gut ins Bild, fast wie Matrix-Rechnen.

Ein letztes Statement sei noch all jenen ins Stammbuch geschrieben, die Auf Heller und Pfennig bereits besitzen. „Beowulf – Das Spiel zum Film“ muß man nicht haben. Ich, der ich nun stolzer Besitzer beider Spiele bin, habe mich noch nicht entschieden, welches bei mir bleiben darf und welches nicht. Abwarten und Met trinken bis der Vollrausch eintritt.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Michael | 01.09.2008

Dem Fazit kann ich voll und ganz zustimmen - der Kritik an Knizia (ausnahmsweise ;) nicht. "Auf Heller und Pfennig" wurde in den USA vor Jahren durch Fantasy Flight Games als "Kingdoms" herausgebracht (fantasymäßig aufgemotzt). Als der Verlag überraschend(?) die Rechte für ein Filmspiel zur 3D-animierten Beowulf-Verfilmung erhielt, blieb extrem wenig Zeit. Kurzerhand hat man die Lizenz für Kingdoms auf die Beowulfstory mehr schlecht als recht umgemodelt - rausgekommen ein wirklich gutes Spiel und eine wirklich hanebüchene Vorlagenumsetzung. Wer "Auf Heller und Pfennig" noch nicht hat, sollte zugreifen (Beowulf gibt es recht günstig - aber Achtung!, von Knizia gibt es ein weiteres, etwas älteres und eher mäßiges Beowulf-Spiel - das am L-förmigen Spielplan erkennbar ist).

Pit | 11.10.2020

Wir holen das Spiel immer wieder gerne in größeren Abständen aus dem Schrank. Gutes Grübelspiel mit einfachen Regeln. Wir mögen es und für ein paar Euro hat man ein kurzweiliges Spiel mit schönem Material. Darf in meiner Sammlung bleiben auch wenn der Platz rar ist.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2008
Verlag: Kosmos
Autor: Reiner Knizia
Genre: Glück
Zubehör:

3 Spielpläne für die Kapitel I – III, 40 Miniaturen, 102 Wertungsmünzen (=Sagen-Punkte), 90 Plättchen (getrennt nach Kapiteln I – III), 4 Übersichtskarten, Spielregel

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